Ich kann wirklich von mir behaupten, in meinem Leben unzählige Motorradrennen gesehen zu haben: Über 20 Jahre war es an jedem Wochenende der Saison mein einziges Bestreben, irgendwo ein Rennen zu sehen, sei es ein OMK Pokal, eine DM auf dem Flugplatz oder ein EM / WM Lauf. Aber eben nur Straßenrennen und so mußte ich 51 Jahre alt werden, um endlich mal eine Sandbahn Veranstaltung zu sehen und zwar in Herxheim in der Pfalz. Ich muß Euch berichten:
Auffallend bei der Anreise, daß kaum Motorradfahrer da sind, zumindest nicht auf eigener Maschine. Ich war einer der ganz wenigen, die standesgemäß angereist kamen, der Rest nächtigt in Wohnmobilen oder geht gleich ins Hotel.
Die Besucher auf dem Camping Gelände und eingeborene Herxheimer zeichnen sich durch einen unglaublichen Sachverstand aus, allerdings nur im Bahnsport. Das auf einer geteerten Rennstrecke Motorradrennen gefahren werden könnten, scheinen sie noch nie gehört zu haben, halten das auch für eine wenig spannende Idee.
Einen Fan, den ich abends beim Wein traf, fährt so gut wie jedes Wochenende zu irgendeinem Bahnrennen, sei es in Bayern, in Norddeutschland oder in der Tschechei. Ich lud ihn nach Walldürn ein, von Herxheim nicht weit, erklärte ihm die dortige Klassik Veranstaltung, bemühte mich, Begeisterung zu wecken: Er sah mich nur lächelnd an, schien mich überhaupt nicht verstanden zu haben und versuchte durch Heben seines halben Liter Weinhumpens, das Thema zu wechseln.
Überhaupt der Abend: Mir sind anläßlich von Motorradrennen abendliche Gelage ja nicht unbekannt, ich erinnere mich gerne, manches mal auch mit Erschauern, an das Bierzelt in St.Wendel, das preiswerte Gezeche in Brünn zur Ostzeit und an wilden Radau in den verschlammten Wiesen von Spa. Aber Herxheim hat in dieser Hinsicht ebenfalls ein Niveau, daß hervorgehoben gehört. Musikalische Darbietungen für jede Altersklasse, Bier und Weinstände, soweit das Auge reicht, grölende Proleten und frühreife Mädchen in unglaublicher Anzahl, Polizei und Sicherheitsdienste wie bei Schalke gegen Dortmund. Sandbahnrennen scheint für viele ein Anlaß zu sein, in der Provinz mal so richtig die Sau fliegen zu lassen.
Endlich der Sonntag, das Rennen. Seien wir ehrlich, ganz so spannend war es früher ja auch nicht, wenn der Ballington im Motodrom schon in der ersten Runde uneinholbar führte und wenn die 125er auf der Nordschleife nur 3-4-mal vorbeikamen. Ganz anders auf der Sandbahn, da verlaufen auch viele Rennen wenig aufregend, aber durch die unglaubliche Anzahl von 20 "Heats" passiert immer mal wieder was. Ein Überholmanöver in der letzten Kurve, ein Verlassen der Bahn und wildes Geturne auf der Grasbegrenzung, manchmal fliegt auch einer spektakulär ganz von der Strecke.
Oder der 9-facher Weltmeister und Star Gerd Riss wird einmal am Tag geschlagen, dann tobt das Publikum.
Die Zuschauer sind jetzt anders, wie am Abend davor. Immer noch drängeln sich Dickbäuchige mit freiem Oberkörper, Wikinger Keulen auf dem Kopf und bewaffnet mit 1-Liter Bier Krügen grölend durch die Menge, die Mehrzahl sind aber jetzt Familien, die alles notwendige in der Kühltasche dabeihaben. Ihren Platz sichern sich die durch Campingstühle. Auffallend ist, daß die Familienoberhäupter eifrig im Programmheft Buch führen und die Punktestände eintragen. Überhaupt auch hier ein erstaunlicher Sachverstand von Leuten, denen ich das nie zugetraut hätte.
Bahnsport scheint eine eigene, abgeschlossene Szene zu sein. Keine Minderheit, wie die vielen Plakate mit Hinweisen auf kommende Veranstaltungen bezeugen. Wenn man will, kann man eine ganze Saison an Gras- und Sandbahnen zubringen, ohne viel fahren zu müssen. Hatte ich bis dato auch nicht gewußt.
Ich fahre auf jeden Fall wieder hin. Das Rahmenprogram hat mir gefallen, obwohl uns da so langsam die Jungen verdrängen, was die Getränke- und Musikauswahl anbetrifft. Zumindest kann ich jetzt auch beim Thema Bahnsport ein wenig mit schwätzen. Die Rennen sind spannend, auch durch die Gespanne sehr abwechslungsreich. Rund um die Strecke scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, daß Umfeld erinnert in seiner wilden Unkorrektheit an Zeiten, wo bei Werner Höfers internatiolem Frühschoppen noch Wein und Zigaretten angeboten wurden.
Jetzt bleibt mir nur noch, eine weitere Motorradsport Lücke zu schließen: Am Pfingsten ist Motoball Sportfest in Kuppenheim. Bin mal gespannt, ob ich Euch diese Abart des Motorsports ebenfalls empfehlen kann.
Gruß Stefan