Nachdem Uwe und ich das letzte Moped, eine Replica unseres Herbert Grünig Suzuki TR500 Kneelers, in 4 Wintern gebaut haben, soll es jetzt etwas schneller gehen.
Daher werde ich dieses Jahr so wenig wie möglich Überstunden machen und stattdessen was besseres versuchen:
Classic Sidecar Replica mit Suzuki Wasserbüffel in 400 Tagen!
Warum das denn? -
Erste Frage meiner Liebsten auf die Ankündigung.
Gute Frage. Warum ausgerechnet Wasserbüffelmotor und warum ausgerechnet ein Schweizer Fahrwerk.
Warum noch ein Gespann? - meint sie.
Es geht natürlich darum, unsere Träume zu leben und auch auf Räder zu stellen.
Wasserbüffel ist Uwes Traummotor und späte Schmids /Trachsel- Fahrwerk finde ich am Schönsten.
Wir sitzen oft im Fahrerlager und träumen von Leistung.
Unser 500er 2-Zylinder liefert ca. 70 PS, ein 750 er Drilling müsste da ja 105 PS abgeben, hat schon so 2006 mein damals 6- jähriger Sohn zum Erstaunen aller drumherum Sitzenden an der Frittenbude im Fahrerlager in Bremerhaven im Kopf ausgerechnet.
Wir kennen die Zylinderabwicklung nicht bloß aus dem Internet, die Ein- und Auslasskanäle müsste man so ähnlich hinkriegen, möglichst viel schon am kleinen Motor gemachte Erfahrungen nutzen.
Den letzten kapitalen Schaden hatten wir damit 2011 in O-Leben.
Der Motor ist bei Einhaltung bestimmter Parameter ziemlich zuverlässig.
Schwachstelle ist die Nasskupplung.
Warum nicht unbedingt ein Schmid, wie ihn Biland und andere einsetzten?
Ernst Trachsel war Schweizer Rennfahrer, der in den 70ern auch Kundenfahrwerke baute, wahrscheinlich, um seinen Sport zu finanzieren.
Befeuert wurden die von OW-Motoren aus dem Hause Yamaha. Später war er mit Suzuki´s mit Drehschiebern am Start, wie ich alten Startlisten entnehmen kann.
So ca. 1976 war Otto Haller in einer ADAC Motorwelt in einem mehrseitigen Artikel mit einem Yamaha getriebenen solchen Fahrzeug auf Sponsorensuche.
Ich hatte gerade meinen ersten heftigeren Unfall und saß mit stapelweise Rollsplittkörnchen im linken Unterarm beim Landarzt im Wartezimmer, als ich diesen Artikel entdeckte.
Ach du Schande, was bauen die Freaks denn!
Bei uns im Dorf wurden alte Käfer zu Autocrossern umgebaut, erfolgreich für die DM des Deutschen Rallye Cross Verbandes.
Aber das da in der Motorwelt war eine andere Liga!
Dann ein kurzer Blick nach rechts und links - an diesem heißen Spätsommernachmittag dösten mehrere alte Damen im Wartezimmer vor sich hin
- Ritsch! - und die nicht ganz glatt herausgetrennten Seiten unter das T-Shirt.
Als der Dok dann mit Jod und Pinzette dem Splitt zu Leibe rückt, nicht zappeln, weil dann das Papier so laut unter dem T-Shirt raschelt.
In den Folgetagen nutzte ich die Rekonvaleszenz, um mit Vaters Briefmarkenlupe alles so gut wie möglich zu analysieren. Diese Riesenlöcher in den von Hermann Schmid stammenden Rädern, große gebördelte Löcher in den Versteifungsblechen.
Wie sich der Rahmen um den Motor schmiegt. Alles auf tiefen Schwerpunkt gebaut. Polyester-Verkleidung.
Ich sehe zum ersten Mal 2 T- Rennbirnen.
Das alles muss ich mit immer wieder anschauen.
Jetzt also startet unser Projekt.
Das Meiste soll selbst gebaut werden, auf Werkzeugmaschinen aus den 70er Jahren und mit konventionellen Mitteln.
Andere gibt es auch nicht in meiner Werkstatt.
Ich möchte nachvollziehen, wie es die Rennfahrer in den schnellen alten Zeiten hingekriegt haben, es bauten ja einige selbst.
Wenn ich mich so 2 - 3 Stunden pro Tag kümmere, kann das in 400 Tagen klappen.
Mein Fahrer Uwe ist auf Montage, baut aber auch mit. Einmal am Wochenende haben wir einen regelmäßigen Termin, seit wir 2004 unser erstes Gespann vom Schweizer Stefan Kieser kauften.
Wir verbringen immer ein paar Stunden in der Werkstatt bei ihm oder bei mir, um unser Hobby zu pflegen.
So könnten wir nichtproduktive Zeiten von mir ausgleichen.
Was gibt es schon für den nächsten Traum?
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Cro Mo- Rohre in unterschiedlichen Dicken,
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Blech aus der Versuchsabteilung des benachbarten Stahlwerks,
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ein paar alte Schmid- Räder,
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ca. 3 zerlegte Suzuki Wasserbüffel Motoren, leider nur 2 heile Zylinder und Köpfe.
- Uwe hat sein Weihnachtsgeld in Bremszangen und Motorteile aus Holland investiert.
Er hat schon mal die Ansaugkanäle von einem Zylinder abgesägt, die werde ich ausdrehen auf 39 mm Duchlass, um sie wieder anzuschweißen, allerdings wird vorher der Winkel verändert, dann passen große 38 mm Vergaser dran und das Frischgas flutscht mehr nach unten.
Vom letzten Projekt gibt es eine Art Rahmenlehre, die muss „Nur“ an die größeren Gegebenheiten angepasst werden.
Am 10. Januar
treffen wir uns zum Letzten Mal bei ihm, um unser momentanes Einsatzfahrzeug für die neue Saison vorzubereiten. Abends wird beschlossen, dass jetzt nur noch etwas Restarbeit an der leicht beschädigten Verkleidung zu machen ist, wenn es wieder warm genugist. Also los!
Ich denke , ihr wisst jetzt, worum es gehen soll.
Ich werde alle paar Wochen ein Tagebuch der Aktion reinstellen.
Ob das Projekt in der Zeit klappt, ist völlig unklar.
Ich werde so viel Fotos wie möglich machen, vom letzten Projekt gibt es nur so 30 oder 40 Stück.
Jetzt hänge ich mal Fotos der ersten Woche dran und das Tagebuch des ersten Monats.
Erzählt mir, ob und was Euch interessiert.
ralf
der erste Abdrückversuch
der Kern der Vorrichtung
Blick auf die Innenseite des Schmid-Sterns und die alles zentrierende Buchse
dazu kommt die Passung im Distanzrohr
alles zusammen, läuft..
Felgenschüsseln mit 1000 Jahre alten Reifen
geputzter Stern in der Wohnung, oben kommt die Bremsscheibe drauf
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Classic sidecar replica, Tagebuch Nr. 1, 31. Tage vom 11.01. bis 10. 02. 2016
11. 01. 2016 Tag 1:
die alten Schmid- Räder aus der Ecke holen, reinigen, messen, staunen. Die haben tatsächlich vorn und hinten nur 15mm Steckachsenlöcher!
12.01.2016 Tag 2:
Räder zerlegen, staunen, wie die gebaut sind, weiter reinigen -Magnesium Sterne in die Wohnung tragen. Bremsscheiben vom Peugeot 205 hinten bestellen, die taugen auch am Gespann, D =247 mm bei 19,4mm Schüsselung, 4 Stück für 56 im Sonderangebot im Internet
13.01.2016 Tag 3:
Wie kommen die Reifen runter? Ich baue eine Abdrückvorrichtung. Idee, Reste von Material suchen , bauen
14.01.2016 Tag 4:
Restarbeiten und der große Moment, Mist - geht das schwer. Erst mal Farbe drauf, damit nix gammelt.
15.01.2016 Tag 5:
faul - Telefonat mit Kollegen: aha , die haben früher immer alte Reifen in die Badewanne mit heißem Wasser gelegt, um die Schüsseln zu schonen. Ein anderer Kollege will Nachbauten der Sterne haben da geht bestimmt was.
16.01. 2016 Tag 6:
das Auto der Freundin ist kaputt, basteln im Schneetreiben. Tester abholen. Irgend ein Sensor für Abgastemperatur spinnt. Natürlich am Turbolader, da kommt man quasi gar nicht dran. Das geht ja gut los!
Wenigstens treffe ich Mittags beim Tester zurückbringen noch einen befreundeten Schlosser, hole mir das ok. , auf seiner Presse Rohre oval zu drücken.
17.01. 2016 Tag 7:
Erkältet. Knalnaarpotz sei Dank sitze ich am Rechner, skizziere Auspuff Anschlüsse in unserem Durchmesser, bestelle auch gleich noch 3 HJS Krümmer , Innendurchmesser 47 mm, 140 mm lang, 60 ° Bogen. Das alles will ich an den leergeräumten Motorblock schrauben, um zu sehen, wo wir mit Rahmenrohren lang kommen können. Auch eine Skizze der Brennraumkalotten zum Einsetzen mache ich und eine Skizze für die Ausfräsungen im Zylinderkopf. Später erste Fotos.
18.01. 2016 Tag 8:
Erster auf der Arbeit, sofort an die Säge, um Material für Auspuffflansche und Überwürfe zuzusägen, in der Mittagspause überall ein 32 er Loch rein (ist mein größter Bohrer).
Abends 1 Stunde in der Werkstatt- scheißkalt, die Pfütze Tee ist danach im Becher gefroren aber alle Überwürfe haben eine schönes abgesetztes Loch und die richtige Dicke. Die Drehmaschine hört sich anders an, ringt schon mit dem sirupartig erstarrten alten Öl. Das sollte ich mal wechseln.
19.01. 2019, Tag 9:
Auspuffflansche vordrehen, Dichtflächen und Absätze werden auf einer Seite fertig, draußen ist es so -12° C, in der Werkstatt herrscht Frost, mit Mütze und Wollhandschuhen stehe ich an der Drehmaschine. Kalte Füße mahnen zum zeitigen Feierabend. Später telefoniere ich mit einem Arbeitskollegen, ob der nochmal in seiner alten Firma, einer Gießerei, gut Wetter für das Nachtfertigen der Radsterne macht, na klar in Magnesium. Wir planen, einen meiner Sterne so oft in Wachs zu tauchen, bis etwa 2mm wegen der Schwindung überall außen drauf sind. Die 6 dicken Löcher mit Kunststoffstopfen verschließen, noch ein Kunststoffklotz oben drauf als verlorener Kopf, - fertig ist das Muster zum Abformen. Lustiger Plan.
20.01.2016, 10 Tag:
Isa Racing liefert jetzt auch nur noch auf Vorkasse oder Kreditkarte, muss mich echt mal um eine kümmern. War nach der Arbeit bei der Bank, 77,52 Euro überweisen, damit die Krümmer kommen. Bin kurz in der Werkstatt, zum Arbeiten ist es definitiv zu kalt.
21.01. 2016, 11. Tag:
Nachdem ich gleich beim Heimkommen den Heizer anmachte, bin ich abends dabei, die eingetroffenen Bremsscheiben dünner und plan zu drehen, während die erste auf der Maschine läuft, werkele ich an der Fräse, um die mit Rundtisch und Schruppfräser auszurüsten. Eine verschiebbare Anzeige für die x-Achse baue ich auch noch aus Blech und einem Klötzchen.
22.01.2016, 12. Tag:
Bis 17:30 Uhr auf der Arbeit, kein Bock, mich noch aufzuraffen
23.01.2016, 13. Tag:
Wochenende. Heute Nachmittag bin ich ca. 5 Stunden dabei, die Bremsscheiben fertig zu drehen, eine fräse ich auf dem Rundtisch mit 6 kreisförmigen Langlöchern leichter und versehe die Reibfläche mit einem Lochbild, jetzt ist sie 6,8 mm dick und noch 1,78 kg schwer . Hatte gleich morgens vor dem Brötchen holen den Heizer angemacht, draußen taut es aber auch hole die verlorene Zeit der letzten Tage auf, weil Dreh- und Fräsmaschine laufen.
24.01.2016, 14. Tag:
Gäste im Haus, Vorbereitungen und Bewirtung, Werkstatt ruht.
25.01.2016, 15. Tag:
Suche im Internet nach möglichste temperaturbeständigen O- Ringen, um die Auspuffflansche zu den Krümmern abzudichten, entscheide mich schließlich für Viton, 47 x 1,5mm. Auf der Seite gibt es auch eine schöne Tabelle, um die Breite der Einstiche heraus zu finden. Bestelle per Pay- Pall, 26,50Euro für 10 Ringe.
26.01.2016, 16.Tag:
Meine Liebste ist kränklich und bedarf der Pflege, dabei wollte ich Ihre Abwesenheit am Abend nutzen, um den Trick mit den Reifen in der Badewanne... Stattdessen stehe ich in der Küche, mache Gemüsesuppe. Auch schön!
27.01.2016, 17. Tag:
Zum Feierabend verabschiedet sich mein Kollege aus der Fahrzeugtechnik in den Ruhestand. Der letzte der alten Garde verlässt die Brücke. Wir sitzen noch lange zusammen bei Suppe und Bier, viele Ehemalige sind dabei.
28.01. 2016, 18.Tag:
Früh Feierabend. Fräse noch zwei weitere Bremsscheiben aus, bohre 144 Löcher, entgrate alles, runde mit der Rundfeile Ecken nach. Es wird doch spät. Aber drei Bremsscheiben sind bis auf der Lochbild der Verschraubung fertig.
29.01. 2016, 19 Tag:
Ich stehe morgens etwa eine Stunde in der Werkstatt, drehe einen 100mm Lenkkopf vor. Um 16:00 Uhr kommt Uwe, Kaffee und Kuchen, er erzählt vom Kurzurlaub.
Er hat auch gelesen, dass Georg Etz tot ist, er residiert jetzt im Rennfahrerhimmel. Wer von uns sich um unserem Sport irgendwie ganz besonders verdient macht, wird ihn da oben definitiv wiedertreffen.
Die Saisontermine schauen wir auch noch kurz an. Mal wieder am Nürburgring ausgeladen, na toll.
Dann raus in die Werkstatt, ich drehe 3 von vier Auspuffflanschen fertig, Uwe sägt die Muffen der angelieferten 60° Bögen kürzer.
Nach kurzer Teepause bauen wir die Rahmenvorrichtung zusammen, stellen ein leeres Motorgehäuse auf Holzklötze, bauen den Lenkkopf drauf. Dachlattenstücke simulieren den Rahmen, wir suchen den Weg der Rohre um die Krümmer, ganz schmal mit Motor hoch im Rahmen oder sehr breit, gekröpft, mit ganz viel Arbeit und sehr tief liegendem Motor. Schnell oder genial?
Weil ich immer noch nicht die Reifen abdgedrückt habe. können wir alles mal hinstellen Später gehen wir rein und schauen uns Fotos von zwei Trachsel- Fahrwerken und diversen Schmids an, um den Zwiespalt zu klären. Nächstes mal bringt Uwe einen Nasskupplungsdeckel mit, der soll uns entscheiden helfen.
30.01. 2016, 20.Tag:
Wochenende. Früh zur mündlichen Prüfung und Freisprechung der Karosseriebauer- Gesellen, dann holt meine Liebste mich ab. Wir fahren zu Freunden nach Berlin, meine Mütze vergesse ich in meinem Auto, was sich noch rächen soll.
31.01. 2016, 21. Tag:
Sonntags spätes Frühstück bei Freunden, langer Spaziergang - ich vermisse meine Mütze. Abends zurück, sofort aufs Sofa, etwas angeschlagen.
01.02.2016, 22. Tag: Ich drehe den Lenkkopf fertig aus, sowie einen vierten Auspuffflansch und einen kleinen Ring, um die Überwürfe für den Auspuff morgen auf dem Teilkopf fertig zu fräsen. Danach schaufele ich etwa 3 kg Späne von der Drehmaschine. Mist, wo ist meine 55mm Aufstecktreibahle? Spüre schon die Erkältung.
02.02. 2016, 23.Tag:
Heute arbeitet ein Kollege sich in die Bedienung unseres modernen CNC- Bearbeitungszentrums auf der Arbeit ein. Er schreibt ein Programm, fräst und bohrt meine Auspuffüberwürfe fertig,was mir viel Arbeit am Teilkopf erspart. Erster Konzeptbruch,aber hilfreich. Beschließe daraufhin, faul zu bleiben, weil stark erkältet. Hauptstadt Viren sind echt aggressiv!
03.02. 2016, 24. Tag, bis 09.02.2016, 30. Tag:
ein Grippaler Infekt lähmt mich 7 Tage, stanzt ein Loch in meine Pläne. Ich überlege, mal zu schauen, ob ich auch als Internet- Fool meinen Text mit ein Paar Bildern ins Forum stelle, vielleicht macht so ein Projekt ja nicht bloß mir Spaß. Verbringe etwas Zeit mit dem Lap meines Sohnes auf dem Schoß auf dem Sofa, um mir endlich einen Account zuzulegen. Die Hürde kann ich noch nehmen. Aber den Rest mache erst wenn ich wieder am Rechner sitzen kann.
10.02.2016, 31. Tag:
Ich lese und bastele 3 Stunden am Tagebuch des ersten Monats, dabei fällt mir auf, dass ich bei der Nennung der Ressourcen eine besonders Wichtige übersehen habe. In meiner Umgebung befindet sich ein lange und dicht geknüpftes Netz von Freunden, Kollegen und Unterstützern. Sie sind immer wieder hilfsbereit, geduldig (die ertragen ewig mein Geschwätz), begeistern sich für meinen Blödsinn. Ohne sie wäre es ungleich schwieriger oder manchmal. unmöglich, weiter zu kommen. In meiner Dokumentation muss es also auch um sie gehen.
Wenn ich mich aber umhöre, war das in den 70ern nicht anders.
Fazit: 15 produktive stehen 16 unproduktiven Tagen gegenüber. Das ist erst mal schlecht, aber es ist ja Winter, und ich wurde krank. Morgen mache ich mal die Fotos der dritten Woche, lade alles hoch, dann sehen wir weiter. Gerne würde ich Euch den ADAC- Motorwelt Artikel noch mitscannen, jetzt finde ich ihn nicht mehr. Etwas bleibt also unsichtbar wie alles anfing.