Verfasst von Manfred Woll. Veröffentlicht in Stories

Horst Fügner – ein Rückblick

Es war beim WM-Lauf iAutogrammkarte 1955n Rouen 1965, wo Heinz Rosner mit der 250er MZ überraschend den 3.Startplatz eingefahren hatte, hinter Redman/Honda und Read/Yamaha, aber noch vor Provini auf der Benelli. Da stand zwangsläufig die Frage im Raum, ob der Veranstalter im Falle eines Sieges von Rosner auch bereit wäre, die DDR-Hymne zu spielen. Die Frage wurde abschlägig beschieden und Horst Fügner als Delegationsleiter des MZ-Teams hatte für diesen Fall der „Nichtanerkennung der DDR“ die klare Weisung des ADMV im Gepäck, das gesamte Team vom Start zurückzuziehen. „Aber die DDR war weit weg,“ sagte er mir im Interview, „und ich habe die Jungs einfach starten lassen.“ Das Problem löste sich dann von selbst, als Rosner beim Start die Lucas Zündanlage durchbrannte, aber diese Episode war symptomatisch für Fügners Einstellung zu Motorsport und Parteidoktrin.

Am 11.3.1923 in Chemnitz geboren, begeisterte er sich schon als Jugendlicher für den Motorsport, den er damals im Radio verfolgte. In der Hitlerjugend hatte er dann Gelegenheit, auf DKW RT3-Maschinen das Motorradfahren zu erlernen und damit auch im Geländesport Erfahrungen zu sammeln. Als er mit 18 Jahren zur Armee kam, wurde er logischerweise als Kradmelder eingesetzt, wobei er mit allen Maschinetypen, die im Heer verfügbar waren, ausgiebig Bekanntschaft schließen konnte.

Als gelernter Maschinenbauer, ausgebildet bei Wanderer in Chemnitz, machte er sich nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft umgehend daran, seinen Traum vom Rennfahrer zu verwirklichen. Mit zusammengesuchten Teilen und Tuningtipps aus dem Chemnitzer Motorradclub schaffte er es schließlich, bis Ende 1950 eine DKW RT125 Rennmaschine aufzubauen. Gleich beim ersten Rennen in Dessau konnte er den zweiten Platz erringen, hätte sogar Siegchancen gehabt, die er aber - völlig überrascht von seiner Konkurrenzfähigkeit - mit taktischen Fehlern verspielte.

Kyffhäuser Bergrennen 1952, 142 Fügner, 152 HaaseSein entscheidender Auftritt kam dann in Leipzig 1951, wo er vom Zschopauer Versuchsleiter Kurt Kämpf entdeckt wurde, welcher von seinem Fahrstil sehr beeindruckt war. Trotz eines Ausfalls in diesem Rennen kam Kämpf in seiner direkten Art auf ihn zu: „Sie brauche ich für unsere Renneinsätze!“ Damit gehörte Fügner zum IFA-Team und als 1953 Walter Kaaden die Rennabteilung einrichtete, wurde er als Rennfahrer und Versuchsschlosser Mitarbeiter in dieser Abteilung. Das war eine kleine verschworene Truppe, bei deren Alltagsgeschäft der Spaß nicht zu kurz kam, mit teils deftigen Aktionen, wie sehr viel später von einigen im Interview glaubhaft berichtet wurde.

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Erfolge auf der 125er stellten sich bei Fügner rasch ein und mit einem Sieg am Sachsenring 1953 bewies er seine fahrerische Klasse. Ein erster Sieg im westlichen Ausland, am Nürburgring 1954 als Bester der Privatfahrerwertung, war zwar nicht korrekt, da er ja Werksfahrerstatus genoss, den Kranz durfte er aber trotzdem behalten. Der erste „richtige“ Sieg im Westen kam im gleichen Jahr am Feldberg im Taunus, wo er aber vom Fernbleiben des NSU-Teams profitierte.

Leipziger Stadtpark 19551955 reichte es für Fügner zum DDR-Meister der 125er Klasse, was ihm den Titel „Meister des Sports“ und einen Händedruck von Walter Ulbricht einbrachte. Zusammen mit Ernst Degner wurde er zu dieser Zeit zur Speerspitze des MZ-Renneinsatzes, wobei sein Sieg auf der 250er Ziehkeilmaschine Pfingsten 1957 in Tubbergen ein klares Zeichen setzte.
Die 250er war seine bevorzugte Klasse und mit der neu entwickelten Maschine für 1958 gelang ihm nicht nur der erst
e WM-Sieg für MZ in Hedemora, sondern in der Endabrechnung auch der Vizetitel der 250er WM, hinter Provini auf der MV Agusta. Zwar hätte er im direkten Zweikampf mit den beiden knallharten Profis Ubbiali und Provini kaum eine Chance gehabt, aber in diesem Jahr klebte das Ausfallpech mal bei der Konkurrenz, in den Folgejahren sollte es dann eher umgekehrt sein…..

Vor dem Start in Hedemora 1958. Fügner vorn nervös, hinten Degner

 

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1959 gingen diese Zweikämpfe unverändert weiter und Provini drängte Fügner in Hockenheim bei Topspeed mal eben auf den Wiesenrand der Strecke, aber beim WM-Lauf in Spa sollte Fügners Karriere dann zu einem abrupten Ende kommen. Im Training kam er mit der 125er in der schnellen Linkskurve bei Posten 2 zu Fall, schlitterte über die Bahn und traf mit dem Kopf einen Betonpfosten. Er überlebte zwar, hatte aber lange Zeit mit den Nachwirkungen der erlittenen Verletzungen zu kämpfen und musste seine fahrerische Laufbahn beenden. Da war es nur ein geringer Trost, dass ihm in Anerkennung seiner Erfolge Ende 1959 als erstem Motorsportler überhaupt, der Titel „Verdienter Meister des Sports“ zuerkannt wurde und er einen Platz im ADMV-Präsidium erhielt.

Er blieb weiterhin Angestellter der Rennabteilung und kümmerte sich erstmal um die Belange der MZ-Privatfahrer. Mit dem damaligen Rennleiter Bernhard Petruschke, einem aktiven SED-Mitglied und überzeugten Kommunisten, kam er - wie die Mehrheit der Mitarbeiter in der Sportabteilung - nur schwer zurecht, und als Petruschke 1963 auch bei der SED-Partei in Zschopau in Ungnade fiel und nach Berlin zurückkehrte, wurde der Posten des Rennleiters für Fügner frei. Hier konnte er all seine Erfahrung einbringen, wobei er sich nicht scheute, während des Trainings in langen Fußmärschen die Strecke abzugehen, um seine Fahrer zu beobachten und zu beraten, wo sie sich verbessern konnten.

Leider war aber Können und Erfahrung nicht alles im DDR-Sport. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Petruschke war Fügner nicht nur kein überzeugter Kommunist, er war nicht mal SED-Parteimitglied. Dies wurde ihm von den maßgeblichen Stellen schwer angekreidet, denn ein Mann mit seinen Verdiensten und seiner Stellung musste einfach das Parteibuch der SED besitzen. Dass er geradlinig blieb und sich nicht anpasste, bezahlte er aber hart: 1972 wurde er als Gruppenleiter Rennsport vom populären Ex-Geländefahrer Werner Salevsky abgelöst. Der war nicht nur im Sport sehr erfolgreich gewesen, er war natürlich auch aktives SED-Mitglied und da für ihn nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn eine Verwendung an maßgeblicher Stelle anstand, musste Horst Fügner diese Stelle eben abtreten.

Fügner reagierte auf seine ganz eigene Art: Auf Wunsch des französischen MZ-Importeurs Bonnet bekam dessen Fahrer Jaques Roca im Mai/Juni 1972 für die Rennen in Clermont Ferrand, Bourg en Bresse und Monthlery eine 250er MZ zugesagt und Fügner hatte diese Maschine zu transportieren und zu betreuen. Im Wissen, dass dies wohl so oder so sein letzter Auslandseinsatz sein würde, verlängerte er die vorgesehene Aufenthaltszeit eigenmächtig und verbrachte noch einige entspannte Ferientage in Straßburg und Paris. Lächelnd schilderte er mir eine Episode aus Paris: Während er mit dem Fahrrad in einem der großen Parks unterwegs war, zog plötzlich Polizei auf und sperrte die angrenzende Straße ab. Fügner war weit und breit der einzige Passant, schaute interessiert was da kommen sollte und sah erstaunt die Vorbeifahrt der englischen Queen samt Eskorte. Fügner winkte – und die Queen winkte zurück! Da er nie an Republikflucht gedacht hatte, fuhr er schließlich wieder nach Zschopau ins Werk, wo seine Karriere natürlich endgültig geknickt wurde.

Fortan, bis zu seinem Wechsel in den Ruhestand 1988, war er nur noch für die Ersatzteilversorgung der MZ-Privatrennfahrer zuständig. Dabei unterstützte er weiterhin mit Rat und Tat die Fahrer, von deren Fähigkeiten er überzeugt war. Dies hatte er auch schon zu seiner Zeit als Rennleiter getan, indem er etwa Thomas Heuschkel, einen hervorragenden Techniker und Rennfahrer, welcher in seinem Wesen Horst Fügner sehr ähnlich war, uneingeschränkt unterstützte. Bis zum Tod von Thomas Heuschkel im September 2009, verband diese beiden vom Rennsport infizierten Männer eine enge Freundschaft. So eine Freundschaft war mit Fügner nur schwer zu schließen, zu tief saß das Misstrauen anderen gegenüber nach den Demütigungen in seiner beruflichen Laufbahn.

Auf Kaadens MZ beim Treffen im Museum Zimmermann 1992Allein, er überlebte alle seine Gegenspieler und blieb fit bis ins hohe Alter. Ich werde immer an die strammen Fußmärsche quer durch Chemnitz in die eine oder andere Gaststätte zur Einnahme des Mittagsessens denken, welche die Fitness des fast Achtzigjährigen eindrucksvoll demonstrierten. Zur so genannten Veteranenrennszene hatte er im Ruhestand ein sehr reserviertes Verhältnis, ausgenommen Veranstaltungen auf seinem geliebten Sachsenring. So verbrachte er 1996 einen Wanderurlaub unweit vom Hockenheimring, war aber in keinem Fall zu bewegen, einer Einladung zum dortigen VFV-Gleichmäßigkeitslauf zu folgen.

Horst Fügner ließ sich eben nie von irgend einer Seite beeinflussen, er blieb stets seinen Überzeugungen treu, geradlinig und eigenwillig bis ins hohe Alter. In den letzten Jahren leicht gehbehindert, blieb er von schwereren Krankheiten verschont. Er war stets seiner Heimatstadt Chemnitz treu verbunden, wohnte viele Jahrzehnte in seiner Wohnung in der Straße der Nationen, wo er am 22.11.2014 nach einem erfüllten Leben und kurzem Krankenhausaufenthalt ruhig einschlafen durfte. Er war der letzte Überlebende der goldenen 50er Jahre, der Zeit des kometenhaften Aufstiegs der Zschopauer Rennmaschinen. Alle die ihn kannten, werden sich seiner stets in Ehren erinnern.


Auf der 125er 1954
 Auf der 125er 1954

 Dessau 1955. Fügner, dahinter Haase  Nürburgring 1955. Nach getaner Arbeit ein wohlverdienter Schluck aus der  Coca Cola - Flasche. Links Haase, rechts Fügner
Dessau 1955
Fügner, dahinter Haase
Nürburgring 1955. Nach getaner Arbeit ein wohlverdienter Schluck aus der Coca Cola - Flasche. Links Haase, rechts Fügner

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Autobahnversuche in Bautzen Frühjahr 1955 mit der 250er. Fügner schiebt an, Schiebhilfe von Terminbearbeiter Heinz Riegel. Fügner mit der 250er am Start auf dem Sachsenring 1955,
neben ihm Monteur Schwietzke

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Fügner auf Siegesfahrt in Dessau 1955 mit der 125er MZ Fügner auf der 250er in Leipzig 1955

In Bernau 1969 fuegner-11
In Bernau 1969 Autogrammkarte ca. 1957

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Versuchsfahrten Frühjahr 1956 Autobahn Bautzen. Auf der 125er MZ Fügner, davor knieend Monteur Beer, dahinter Ing. Langenbrunner, ganz rechts Krumpholz

Text: Manfred Woll, Fotos: Archiv Woll

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