Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke
 

Schotten2019Programmheft


Schottenring Classic Grand-Prix 2019

Betrachtungen, Beobachtungen, Bemerkungen

Zur Situation im Allgemeinen und Schotten im Besonderen: Wohl unbestreitbar ist, dass sich der Rennsport mit historischen Fahrzeugen momentan im Widerspruch zu vielen aktuellen gesellschaftlichen Überzeugungen und Werthaltungen befindet. Das gilt vorrangig für die Verbrennung fossiler Rohstoffe und die damit einhergehenden Belastungen für Klima und Umwelt. (Gewiss sind die Emissionen durch Heizung, Industrie und Verkehr ungleich größer, doch gelten sie dort als schwer vermeidbar, und es gibt intensive Bemühungen, ihre Menge zu verringern – nichts von alledem hingegen bei uns.) Im Weiteren die Vergangenheitsbezogenheit unseres Tuns (die für viele Aktive gerade den spezifischen Reiz ausmacht, wie jeder weiß), wo doch anderswo überall „Fortschritt“ und Zukunftsorientierung angesagt sind. Dadurch befindet sich unsere Szene in der argumentativen Defensive; dabei wurde als eines der Motive dafür, an unserem Tun festhalten zu dürfen, der Schutz technischen Kulturgutes ausgerufen (eine kluge Strategie). Es ist hier nicht der Ort, darauf und auf weitere Facetten dieser komplexen Materie detaillierter einzugehen, aber vielleicht liegt in diesem Spannungsfeld – neben anderen Faktoren - *eine* der Ursachen für den Schwund an Teilnehmer- und Zuschauer-Zahlen, den Wolfgang Wagner-Sachs (also der 1. Vorsitzende des MSC Schotten) in dem Interview mit Timo Neumann beklagte (s. Programm-Heft, S. 26).

L1140203In den besten Zeiten verfolgten manchmal an die 20.000 Zuschauer die Wettbewerbe, während es in der jüngeren Vergangenheit oftmals nur sehr viel weniger waren, sicher auch verursacht durch schlechteres Wetter, und auch dieses Mal dürften es kaum mehr als fünf- bis sechstausend gewesen sein. Bei den 500ern- Nachkriegs-Maschinen (also in K, die mitunter als König-Klasse bezeichnet wird) hatten vor 20 Jahren nahezu 40 Starter gemeldet, doch ist diese Zahl im Laufe der Zeit kontinuierlich zurück gegangen, bis im Programm von 2019 noch gerade mal 8 Fahrer aufgelistet waren. Die Verantwortlichen für Schotten versuchen, aus dieser Not eine Tugend zu machen und werben damit, dass „die Bandbreite an Geschichte, die wir in Schotten an den Start bringen, sich seinesgleichen sucht“ (Wagner-Sachs, Interview). Das mag gewiss richtig und ein gangbarer Weg sein, aber er stößt bei Puristen und Traditionalisten auf Unverständnis, weil diese all die „neuen Klassen L1140209und modernen Maschinen“ gerade *nicht* so gern sehen. Zudem waren die Super-Bikes bis vor kurzem in Schotten tabu, weil für die Strecke, so hörte man allgemein, viel zu schnell – aber die Notwendigkeit, die Lücken zu schließen und Startgelder zu generieren (was für die Realisierung der Veranstaltung unabdingbar ist), hat auch diesen Aspekt in den Hintergrund treten lassen. Insgesamt eine sehr schwierige Situation, bei der es leider keine einfachen Lösungen gibt.

Der Schottenring-GP stellt unbezweifelbar etwas ganz Besonderes dar: Er ist die einzige Veranstaltung im Kalender der DHM, die auf öffentlichen Straßen stattfindet; seit Mitte der Fünfziger Jahre ist das eigentlich gar nicht mehr möglich, aber die Schottener schaffen es doch immer wieder, die behördliche Genehmigung dafür zu erlangen, großartig! Freilich steht dem auch die etwas aus der Zeit gefallene Infrastruktur des Fahrerlagers gegenüber. Aber: Defizite in dieser Hinsicht werden wett gemacht durch die Begeisterung und den Teamgeist, mit dem die Verantwortlichen zu Werke gehen, darin wohlwollend von der Kommune unterstützt. Mancher Besucher sprach von dem GP als einer Art Volksfest. Und nicht zuletzt: Der Schottenring-GP „hat“ Zuschauer (während die meisten anderen Läufe fast unter Ausschluss von jeglicher Öffentlichkeit ausgetragen werden), und diese Zuschauer applaudieren den Fahrern in der Auslaufrunde – was für die Akteure zu den schönsten und bewegendsten Momenten zählt.

Zu Teil-Aspekten: Das Programm sah mehrere „Sonderläufe“ vor. In Bezug darauf fragte man sich, für was das Attribut „Sonder“ eigentlich stünde, so beispielsweise beim „Seitenwagen-Sonderlauf der DHM-Klasse Z“. Bei der „Meisterklasse“ reichten die Hubräume der Maschinen von 80cc bis 1100cc, und nur bei wenigen Fahrern drängte sich die Vermutung auf, dass sie mal „Meister“ gewesen waren. Im „Karl Reese-Sonderlauf“ war nicht ersichtlich, bei welchen Fahrern und/oder Maschinen eine Beziehung zur Person oder dem Schaffen von Karl Reese bestand. In „MZ/Maico + 50/80 ccm-Klasse“ gab es auch Kreidler und Derbi sowie Hubräume 125 und 250cc. Hinter alledem stand wohl das Motiv, niemanden abzuweisen und Startgeld einzusammeln – was natürlich nicht verwerflich ist. Sehr positiv anzumerken: Erstmals überhaupt fand sich in einem Programm (hier demjenigen von Schotten) die Liste mit dem Zwischenstand in der Jahresklassen-Wertung nach 4 von 7 Läufen.

In der Fahrerlager-Kurve unten in der Seestraße waren erstmalig Sichtblenden angebracht, die es den Zuschauern an dieser Stelle unmöglich machten, etwas vom Geschehen auf der Strecke zu sehen. Das sollten sie wohl auch nicht, sondern hier nur vorbeilaufen (müssen). Dadurch war diese früher sehr beliebte L1140246Zuschauer-Platz „abgeräumt“, obwohl es während der letzten 15 Jahre hier niemals einen Unfall gegeben hatte, bei dem ein Fahrer etwa an die Sperr-Gitter geschlittert wäre – absolut unverständlich diese Maßnahme und wohl Folge einer bürokratischen Auflage. (Aber: Auf der der Strecke zugewandten Seite prangte ein großes Werbe-Transparent – vielleicht war das ein ausschlaggebender Grund für die Beschränkung?)

L1140179Ein markantes Alleinstellungs-Merkmal von Schotten stellt die Fahrerpräsentation am Freitag-Abend dar. Diese fand heuer auf der Seestraße vor dem MSC-Club-Haus statt. Weil dort der Bewegungsspielraum geringer war als auf dem Marktplatz oder dem Postkurven-Areal ging es ziemlich beengt zu. Im Zuge seiner Ansprache ging Wagner-Sachs u.a. darauf ein, dass gefälschte Eintritts-Karten im Umlauf seien, die zu ermäßigten Preisen angeboten würden; das sei nicht nur ein strafbares Delikt, sondern würde darüber hinaus einen finanziellen Verlust für die Veranstalter bedeuten.

L1140182Im Rahmen der Fahrerpräsentation gelang Mike Nagel im Interview mit Timo ein Bonmot insofern, als er die Ansicht vertrat, dass „Schotten das Monaco des deutschen Motorrad-Rennsports“ sei; das brachte ihm nicht nur zustimmendes Lachen von Seiten der versammelten Runde ein, sondern auch anderntags eine entsprechende Presse-Meldung.

Personales und Technisches: Meine erste „richtige“ Maschine nach zwei Mopeds war 1957 eine 4-Takt-Fox von NSU. Von daher erregte die neu aufgebaute Fox von Thomas Gall gleich mein emotional gefärbtes Interesse. Fein zurecht gemacht musste sie in E+H+L antreten. Natürlich war sie dort nicht gerade die schnellste, aber dem Sound nach erschien sie wie eine richtig „Große“.

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Fixer Fox-Fahrer vor der Abnahme… und auf der Strecke

Berührend war das Wiedersehen mit der ESO von Rolf Justen, der voriges Jahr leider verstorben ist. Mit ihm hatte es im letzten Jahrzehnt immer wieder spannende Begegnungen auf der Strecke gegeben, die umso härter waren, je besser seine Maschine lief, was allerdings nicht ganz regelmäßig der Fall war. Nunmehr bringt sein Sohn Tarek das Motorrad an den Start, weitestgehend unverändert, mit der Start-Nummer von damals, also der K 22, und unter den Fittichen des MSC Schotten, der als Bewerber auftritt.

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Tarek Justen auf der Maschine seines Vaters. Historische Aufnahme aus 2004:
Rolf Justen in Schotten hinter K 64.
In der Gesamt-Wertung belegte er seinerzeit den dritten Platz; K 64 musste mit einem Motor-Platzer ausscheiden.

L1140275Cord Warneke pilotiert in E eine interessante Vorkriegs-Triumph. Die beiden Auspuffe werden linksseitig geführt, lange Ansaug-Kanäle, sehr niedrige Sitzposition, ellenbreiter Lenker, vorn Trapezgabel, hinten starr. Noch läuft sie allerdings nicht ganz einwandfrei.

Der zweite Wertungslauf von J+K musste zweimal rot-geflaggt unterbrochen werden. Nach der etwas längeren Warte-Pause bei der zweiten Unterbrechung sprang die Maschine von Otto Beyer nicht mehr rechtzeitig an, und auch Karl Frohnmayer musste aufgeben. Überhaupt: Als am Sonntag Nachmittag gegen Ende der Veranstaltung wieder Regen einsetzte, verzichteten viele Fahrer auf den Start; in V traten ganze 8 oder 9 Fahrer an, in A+R waren es nur deren 5. Apropos: In A+R hatten überhaupt nur 7 Fahrer gemeldet. Schwer zu sagen, ob diese dürftige Zahl nur damit zusammen hängt, dass diese Klasse in Schotten zum ersten Mal am Start war (woran die Strecken-Moderation zu glauben schien); vielleicht wären gezielte Werbeaktionen hilfreich, um in Zukunft ein größeres Starterfeld anzuziehen. Jedenfalls war der Ausklang der Veranstaltung mit Regen und sehr ausgedünnten Fahrer- und Zuschauer-Zahlen leider etwas trist – wofür natürlich niemand verantwortlich zu machen ist.

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Eine Bemerkung zu den Unterbrechungen: In der Regel erfahren weder die Fahrer noch die zahlenden Zuschauer irgend etwas zu den dafür maßgeblichen Umständen. Auch wenn es sich meistens um einen Unfall handelt, befördert das Schweigen der Verantwortlichen doch eine ziemliche Frustration bei allen, die zum Warten gezwungen werden. Diesem Frust könnte abgeholfen werden durch Verlautbarungen, die in geeigneter Weise zu dem Geschehen etwas mitteilen, ohne dabei die persönliche Sphäre oder die Privatheit eines Betroffenen zu verletzen. Eine solche Kommunikation ist sehr wohl möglich und sollte in Zukunft versucht werden.

Wenn nicht alles trügt, gab es einen richtigen „Pechvogel des Wochenendes“: Ein (namentlich hier nicht zu erwähnender) Fahrer ging im Training seiner Klasse nach der Brücke zu Boden, fiel am Sonntag durch einen technischen Defekt im ersten Wertungslauf aus und verunglückte erneut im zweiten.

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Begeisternd die Fahrten von Hansueli Wyssen in E und K; obwohl er bekanntlich den Lauf in Most auslassen musste, liegt er in J+K nunmehr in Front – Glückwunsch!

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Text und Fotos: Manfred Amelang


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