Verfasst von Manfred Amelang. Veröffentlicht in Moto-GL-Kaleidoskop

Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke
SeubertSeubertLionkskurvescharf 

Deutsche Historische Motoradmeisterschaft 

Gespanne 2018: 1. Platz: Seubert/Seubert

Nach dem Endlauf in Oschersleben stand fest, dass Ulrich und Germar Seubert bei den Gespannen den diesjährigen DHM-Titel errungen hatten, und nicht nur das: Sie wurden auch Jahresklassen-Erste in ihrer Klasse Z (also bei den „großen“ Kneeler-Gespannen, 750cc-Zweitakt und 1000cc-Viertakt bis 1963). Damit fand eine beispiellose Erfolgs-Karriere ihren vorläufigen Höhepunkt, waren die beiden Fahrer doch bereits in der Vergangenheit nicht weniger als dreimal Jahres-Klassen-Beste in Z gewesen (2008, 2014 und 2017) und darüber hinaus zweimal Zweite bei der DHM-Gespann-Wertung (2016 und 2017). Angesichts des Umstandes, dass die beiden erst 2006 zur VFV-Szene gestoßen sind, verdient diese Leistung eine zusätzliche Würdigung.

Freilich markiert das besagte Jahr nicht den Anfang ihrer motorsportlichen Aktivitäten. Vielmehr geht dieser bereits auf 1974 zurück. Seinerzeit, also im Alter von 18 bzw. 17 Jahren für Uli und Germar, erfolgte der Einstieg in den Moto-Cross-Gespann-Sport, wobei sich das „Persönlichkeits-Gespann“ von Uli und Germar aus einem eher ulkigen Umstand ergab: Eigentlich war als Beifahrer für Uli ein anderer Kumpel aus der lokalen Motorrad-Clique vorgesehen, doch war dessen Freundin strikt gegen diesen Plan – und da sagte Germar, der mit Uli weder verwandt noch verschwägert ist („In unserer Umgebung gibt es viele Seuberts…“), dass *er* es machen wolle – gesagt getan: Beide gingen dann mit Unterbrechungen bis 1990 bei nationalen und internationalen Rennen an den Start, zunächst auf Viertakt- und später auf Zweitakt-Maschinen. Im letzten Jahr ihrer Motocross-Zeit traten sie sogar in der MC-Weltmeisterschaft an. Neben anderen Erfolgen waren wiederholte Titel in der Hessischen Moto-Cross-Meisterschaft die sportliche Ausbeute.

L1130441Die Partnerschaft zwischen Uli und Germar hielt über eine so lange Zeit – und dauert weiterhin an! – ungeachtet der Unterschiede, die zwischen ihnen hinsichtlich Persönlichkeit und Temperament bestehen: Hier der ruhige, eher introvertierte Fahrer, dort der eher „stürmische“, expressive „Passenger“, der gestählt durch die Moto-Cross-Schule keiner Herausforderung aus dem Weg zu gehen scheint und mitunter am Wochenende auch schon mal zusätzlich in einem anderen Boot turnt.

Im Jahr 2002 sah Uli während eines Urlaubs beim Besuch einer Veranstaltung mit historischen Motorrädern in England ein Gespann von Terry Windle, in dem ein Weslake-Motor für Vortrieb sorgte. Ein solches Triebwerk hatte er noch aus Moto-Cross-Zeiten zu Hause in der Garage; deshalb kam ihm der Plan, ein derartiges Gespann selbst aufzubauen. Vorlage dafür waren Maße und Fotos, die er von dem Windle-Gespann hatte nehmen können. Zwischen 2003 und 2006 konstruierte und baute er dann in der heimischen Garage dieses Gerät – eine technische Herausforderung auch für jemanden wie ihn als gelernten Ingenieur.

L1130447Das Ergebnis ist beeindruckend in mehrfacher Hinsicht: Eine geschobene Kurzschwinge vorn, die es erlaubt, den Nachlauf je nach Anforderungen geringfügig zu verändern. Vier Scheibenbremsen, zwei vorn, je eine hinten und am Beiwagenrad, letztere kontrolliert über einen gesonderten Waage-Balken, für den „Schmiermax“ u.a. eine längere „Reling“, durch die anstelle eines regulären Kühlers bei Bedarf das Motoren-Öl geleitet werden kann. Warum das Boot links angehängt ist? „Die meisten der Kurse müssen im Uhrzeigersinn befahren werden, und: An die Innereien des Getriebes kommt man leichter ran, wenn dabei der Seitenwagen nicht im Wege ist…“

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Weslake TechnikerBekanntlich hatte Ende der Sechziger-Jahre Harry Weslake im Auftrag von Dave Nourish für die 2-Zylinder 650er Triumph Bonneville einen 4-Ventil-Kopf konstruiert. Die insgesamt 8 Ventile wurden weiterhin von den beiden unten liegenden Nockenwellen über Stößel und mit gegabelten Kipphebeln gesteuert. Zusammen mit dem häufig von Kunden aufgebohrten Zylindern war das Triumph-Kurbelgehäuse den neuen Belastungen und Drehzahlen von mehr als 7.000 Umdrehungen nicht mehr zuverlässig gewachsen. Aus diesem Grunde wurden von Weslake später komplette Motoren mit verstärkten Kurbelgehäusen und Alu-Zylindern gefertigt. Auch bei dem Aggregat von Uli, das auf dem Prüfstand aus 900cc knapp 80 PS am Hinterrad liefert, riss das Kurbelgehäuse sternförmig am zentralen Lager, weshalb er die Kurbelwellen-Gehäuse-Hälften gesondert aus dem Vollen neu fräste.

L1130448Insgesamt ist die Maschine recht zuverlässig geraten – eine der Voraussetzungen dafür, in der Endabrechnung mit ganz vorn zu landen („To finish first, you have first to finish!“). Gleichwohl gab es in zwei Läufen wegen elektrischer Probleme zweimal DNF. Es war aber für den Titel zusätzlich hilfreich – und es mindert ihre Leistung nicht im Geringsten, wenn dieses für die Stimmigkeit des Gesamtbildes ebenfalls erwähnt wird - dass zwei kompetente Konkurrenten durch Unfälle daran gehindert wurden, in der Endabrechnung noch mitzumischen.

SeibertSeibertHockenheim2018Herzlichen Glückwunsch dem sympathischen Duo Uli und Germar für ihren Erfolg und weiterhin: Alles Gute!

Und vielleicht reicht auch mal die Zeit für einen Besuch auf der Insel in der Irischen See; jedenfalls haben Kollegen von Uli ihm dafür schon einmal ein bezeichnendes Geschenk gemacht :
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Text: Manfred Amelang und Gerhard Fischer

Fotos: MSC Goldbach (1), Leger, Amelang

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