Verfasst von Manfred Amelang. Veröffentlicht in Moto-GL-Kaleidoskop

Moto-GL-Kaleidoskop
Beobachtungen und Notizen aus dem Fahrerlager und von der Strecke
    
Eindrücke vom
Schleizer Dreieck 2018


 Schleiz2018Programm

Vorbemerkung: Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass angesichts des tragischen Unfalls von Ingo Hartmann am Sonntag das übrige Geschehen an Bedeutung stark verloren hat und in den Hintergrund gerückt ist. Das wird und soll auch so bleiben. Gleichwohl hat es sportliche, soziale und technische Ereignisse gegeben, und ganz überwiegend sind diese *vor* dem Unglück aufgetreten; das macht es etwas leichter, über sie nachfolgend zu berichten, wie bereits angekündigt: zeitlich verzögert, womit die diesbezüglichen Gewichtungen verdeutlicht werden sollen.

Organisatorisches: Zum dritten Mal nacheinander seit 2016 gingen wieder historische Fahrzeuge auf dem Schleizer Dreieck an den Start, und zwar erneut Motorräder und Autos. Nur durch diese Kombination war für den VFV die Veranstaltung finanziell zu stemmen – aber die damit verbundene Vielzahl von Fahrzeugen und Klassen macht eine Ausweitung des Programms auf drei Tage unvermeidlich; das bringt es mit sich, dass zahlreiche Starter bereits am Donnerstag anreisen und, für den Fall, dass sie noch berufstätig sind, zwei Tage Urlaub nehmen müssen. Generell war fL1120569ür die Motorräder der Vormittag vorgesehen, für die Autos der Nachmittag. Dementsprechend mussten viele Motorrad-Fahrer am Freitag früh ihr Freies und Pflichttraining absolvieren, und dann jeweils am Samstag und Sonntag Vormittag den ersten bzw. zweiten Wertungslauf – der Rest der jeweiligen Tage stand sozusagen „zur freien Verfügung“. Diesen Leerlauf nach jeweils nur 20 Minuten auf der Strecke empfanden viele Teilnehmer als unverhältnismäßig und änderungsbedürftig; auf der Fahrerbesprechung diese Problematik vorgetragen, bezeichnete die Leitung das Ganze als unvermeidbar – es fehlte schlicht ein probater Alternativ-Vorschlag, der sicher nicht leicht zu konzipieren wäre.

Apropos: Viele Anwesende beklagten im Nachhinein, dass die Leitung der Fahrerbesprechung kaum Konkretes zur anstehenden Veranstaltung vermittelte (außer – ach ja! – den Hinweis darauf, dass die Flaggen-Signale zu beachten seien), sondern stattdessen hauptsächlich Verbands-Interna thematisierte. Als unangemessen bezeichneten mehrere Teilnehmer insbesondere das Nachtreten gegen Roger Reising, dessen Rücktritt aus der Historischen Kommission quasi als „Fahnenflucht“ apostrophiert und seine Arbeit diskreditiert wurde – wohlgemerkt, ohne auch nur mit einem Wort auf die – durchaus nachvollziehbaren! - Hintergründe seiner Entscheidung einzugehen.

Im Offiziellen Programm wurde Wolfgang Ziegler als Veranstaltungsleiter ausgewiesen, und unter „VFV-DHM Organisation“ standen zuoberst die Namen Stephan Otto und Wilfried Schmahl. Auf der Web-Site unseres Verbandes fehlt der Name Otto – isser nun im Orga-Team oder nicht?

L1120528Insgesamt waren die Tage in Schleiz ein unbezweifelbarer Höhepunkt im Kalender: Strahlendes Wetter, wunderbare Landschaft, die gigantische Strecke, eine perfekte Organisation, schließlich eine ordentliche kulinarische Versorgung von Fahrern und Zuschauern (letztere gab es wieder zu Hauf! - der Osten ist eben noch immer weniger „gesättigt“), an der sich beispielsweise die Verantwortlichen von Hockenheim oder dem Nürburgring ein Beispiel nehmen könnten – all dieses sorgte dafür, dass der VFV-Oldtimer GP auf dem Schleizer Dreieck eine ausgezeichnete Veranstaltung ist. Leider warf das schwere Unglück am Sonntag Mittag dann einen dunklen Schatten auf den allgemein so positiven Eindruck.

L1120602Touristisches / Lokalkolorit (nur für jene Kollegen gedacht, die nicht in die Stadt kommen konnten): Im Unterschied zur Veranstaltung erzeugte die Stadt selbst eher ein zwiespältiges Gefühl: Rund um die beiden Marktplätze gibt es zahlreiche leerstehende Geschäfte und blinde Fenster, viele Lokale sind geschlossen, darunter die „Rennbahn“ und das Restaurant in der Linkskurve von Oberböhmsdorf. Vom früheren Schloss in der Oberstadt haben nur zwei Türme den Bombenangriff von 1945 überstanden; die Fensterhöhlen wirken abweisend und tot; hinzu kommt, dass das gesamte Gelände gar nicht betreten werden darf, wohl wegen Einsturzgefahr.

Immerhin gibt es in einer schmucken Anlage neben der Straße nach Plauen noch den ansehnlichen Gedenkstein, der die Namen der „Schnellsten vom Schleizer Dreieck“ auflistet, und diese werden tatsächlich jährlich nachgetragen. Der Name Freddy Kottulinsky, der für das VFV-Oldtimer-Revival auf dem Schleizer Dreieck steht, findet sich zweimal auf der Vorderseite des Steins; sowieso sind Autofahrer da nur ganz selten vertreten. Viel häufiger sind Motorrad-Helden aufgelistet wie etwa Bauhofer und Rüttchen, aber am allerhäufigsten wird der Ungar Janos Drapal genannt. Es wäre eine Überlegung wert, wie man durch Aufnahme eines berühmten Motorrad-Fahrers in die Namensgebung des Revivals der Geschichte der Schleizer Rennen (noch) besser gerecht werden könnte.

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Sportliches: Zwei herausragende Akteure vom Nürburgring spielten auch in Schleiz wieder eine besondere Rolle, nämlich Wyssen und Warneke:
  • Hansueli Wyssen, der rasende Kaminfeger aus der Schweiz, fuhr im Pflichttraining sowohl in E mit seiner Rudge als auch in K auf der Molnar-Norton Trainings-Bestzeiten. In den Wertungsläufen dominierte er auf der Rudge auch das Rennen, doch in K gab es im Vorfeld zunächst Probleme mit dem Vergaser, weil der Stift, der den Schieber am Verdrehen hindert, abhanden gekommen war, und als das Problem behoben war, fiel im ersten Wertungslauf die Kappe ab, die den Düsenstock hält, und er musste aufgeben, weil das Benzin abgeflossen war. Im zweiten Lauf war alles okay, und er kam nach einem packenden Kampf hinter Franz Heller als Zweiter ins Ziel.
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  • Cord Warneke musste im Training einen Schreckmoment überstehen: Beim Anbremsen der spitzen Links unten in der Senke brach der Brems-Anker seiner im Winter neu aufgebauten G 50, weil die Bremse blockiert hatte. Wie durch ein Wunder kam es nicht zu einem Überschlag. Manfred Held, der einen Pleuel-Schaden an seiner Triumph befürchtete, lieh ihm sein Vorder-Rad für den Wertungslauf – und das passte auf den Millimeter genau!

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  • Christian Müller (#J 55) fuhr auf der ex-Peddack-Aermacchi wirklich bravourös und erzielte im Training die schnellste Zeit in J.
  • Dominik Horvath, der in den zurück liegenden Jahren eine Boy Racer und G 50 bewegt hat, pilotiert nun in B eine 750er Kawasaki. Tempo und Schräglage waren atemberaubend. Seine schnellste Trainings-Zeit war 1:43,481 und damit hinter Murmann Zweiter in B.
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In der neu propagierten Superbike-Klasse hatten ganze zwei Fahrer gemeldet, drei gingen an den Start. Einer davon, Hansueli Hug, fuhr freilich mit 1:41,475 im Training die schnellste Runde des Tages überhaupt. Man wird sehen, wie sich die Klasse weiter entwickelt.


L1120566Anekdotisches: Auf der Pritsche eines Magirus-Deutz aus den Fünfziger-Jahren hatten Uli und Leo Schwager ihr Triumph-Gespann nach Schleiz gebracht. Während der Anreise auf der Autobahn bemerkte einer der beiden im Rückspiegel, dass ihnen ein Polizei-Fahrzeug folgte, Kilometer für Kilometer. Nach einer schier endlosen Zeit voll quälender Ungewissheit über die Absichten der Polizei überholte deren Fahrzeug den Magirus, reckte die Kelle raus und beorderte den LKW zum nächsten Parkplatz. Dort stiegen die Beamten aus, setzten korrekt ihre Mützen auf – und erklärten, sie wollten nur ein Foto von dem antiken Gerät machen… Leider nahm dann das Schicksal einen weniger lustigen Verlauf: Gleich im allerersten Trainings-Lauf platzte der mit Methanol betriebene Motor, und auch der am Abend eigens angereiste Vorbesitzer konnte den Schaden nicht mehr beheben.

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Text und Foto: Manfred Amelang

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