Neckermann - MZ - Rennteam
von Manfred Woll

„Neckermann macht's möglich“ war über Jahrzehnte als geflügelter Spruch in aller Munde. Und tatsächlich schaffte dieses Versandkaufhaus auch das schier Unmögliche, indem es zwei Jahre lang mit einem eigenen Straßenrennteam im nationalen und internationalen Sport mitmischte. Das lief 1968/69 und war vor allem dem charismatischen Neckermann-Mitarbeiter Jean Rudolph zu verdanken, welcher mit hohem Engagement bestehende Grenzen verschob, manches mal aber auch etwas zu weit.....Geld spielte beim Kauf und Einsatz von vier MZ-Rennmaschinen offensichtlich eine untergeordnete Rolle, was Walter Kaaden, Leiter der MZ-Sportabteilung einst zu der Aussage verleitete: „Der Rudolph hat ja mehr Geld für den Renneinsatz zur Verfügung als ich!“

Bei der Fahrerwahl bewies Rudolph auch ein feines Händchen, indem er den international noch unerfahrenen Dieter Braun verpflichtete, welcher auf Neckermann-MZ Maschinen den Durchbruch schaffte, anschließend gar einen MZ-Werksvertrag ergatterte und danach zweifacher Weltmeister wurde. Der „Lange“ war in diesen Jahren der mit Abstand beste Fahrer in Deutschland, was von seinen beiden Teamkollegen, dem erfahrenen Lothar John und dem Nachwuchsmann Siegfried Möhringer, auch neidlos anerkannt wurde. Dass auch Fahrer wie Hans Georg Anscheidt, Horst Backes und Günter Dotterweich mal für das Team fuhren ist weniger bekannt, bleibt aber trotzdem bemerkenswert.

Neben den MZ-Rennmaschinen in Form von drei 125er Verkaufsrennmaschinen und eine älteren 250er Werksrennmaschine, kamen auch eine 320er CZ, eine 50er Garelli und die 250er „Bananen“-Jawa zum Einsatz, wenn auch im Schatten der MZ-Erfolge. Wie es schrittweise zur Zusammenstellung dieses Fahrzeugparks kam und wie zwei dieser Maschinentypen kläglich scheiterten ist eine interessante Geschichte, welche bis heute kaum bekannt geworden ist.

Warum dieser mit großem Werbeaufwand begonnene Auftritt dann Ende 1969 sang- und klanglos beendet wurde, blieb damals eine offene Frage und ein im Kern lange gehütetes Geheimnis. Heute sind die Zusammenhänge bekannt. Dieser Auftritt von Neckermann in der Motorradsportszene hatte schon 1967 mit einem Presse/Trainingstag in Hockenheim - unter Anwesenheit des Jawa-Werksteams mit Statsny und der neuen 350er Vierzylinder - begonnen, im folgenden Winter gab es beim Elefantentreffen eine großen Neckermann Werbeaktion und zahlreiche Werbeanzeigen in Motorradzeitschriften taten ein Übriges, um dieses Engagement der breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen.

In diesen beiden turbulenten Jahren gab es aber viele technische Unzulänglichkeiten mit denen das Team zu kämpfen hatte, es gab Ost/West Konfrontationen welche in der unterschiedlichen Mentalität der linientreuen DDR-Akteure und den sehr lockeren Neckermann-Fahrern begründet war, aber auch viele interessante Anekdoten, welche heute im gnadenlos professionellen Rennsport undenkbar wären.

Diese Neckermann Straßenrennepisode wurde noch nie zusammenfassend geschildert und so war es höchste Zeit, dass dieser Teil der deutschen Rennhistorie endlich in ausführlicher Form den Lesern von „Klassik Motorrad“ zur Verfügung gestellt wurde. Dies in Heft 3/2019, wo der Chefredakteur diesem Thema nicht weniger als zwölf Seiten zur Verfügung stellte, wohl wissend, dass es sich um einen in dieser Form einmaligen Vorgang in der deutschen Motorradsporthistorie handelte. Neben dem ausführlichen Text kommt hier auch einiges an historischem Fotomaterial zur Veröffentlichung, welches bis dato noch nicht zugänglich war. Ein Foto allerdings ist ganz neu und es zeigt den „Langen“ heute beim genüsslichen „Maßnehmen“ auf einer Replik seiner alten 250er MZ. Er wird den Beitrag wohl genauso in Erinnerungen schwelgend genießen wie auch die anderen noch lebenden Protagonisten dieser Historie.