Im Bücherregal:
Die große Freiheit mit 27 PS

 

Jungs Eure 400erMit 27 PS ist heute bei Motorrädern kein Staat mehr zu machen. Eine Ausnahme wie die Royal Enfield Himalayan bestätigt die Regel. In den 1970er- und 1980er-Jahren waren damit aber Heerscharen von Bikern im Urlaub Richtung Nordkap oder Marokko unterwegs oder genossen einfach nur so die große Freiheit auf zwei Rädern. Ihre Popularität verdankten die Maschinen der damaligen Versicherungseinstufung. Auch wenn es konsequenterweise „Jungs, Eure 27er“ hätte heißen müssen, so klingt „Jungs, Euro 400er“ doch etwas einprägsamer und verständlicher. Unter diesem Titel jedenfalls erinnert jetzt ein Buch an die Marken und Modelle der beiden Dekaden.

Die beiden Jahrzehnte waren auch die letzten, in denen deutsche Hersteller wie Maico, Hercules oder Zündapp noch – vergeblich – versuchten, gegen die japanische Invasion anzuproduzieren. Nur BMW hat, wie wir wissen, bis heute überlebt. Dass es dort einmal eine R 45 in klassischem Boxerkleid oder eine R 65 GS gab, die auf der 27-PS-Welle mitschwammen, haben auch diejenigen heute nicht mehr sofort auf dem Schirm, die damals auf den „400ern“ ihre Sturm-und-Drang-Jahre erlebten. Die Zahl der Motorrad-Neuzulassungen in Deutschland stieg zwischen 1970 und 1980 um mehr als das Zehnfache auf fast 100.000 Maschinen.

Es war die Zeit, der Yamaha mit den Legenden XT 500 und SR 500 ihren Stempel aufdrückte; die Zeit, in der die Italiener – erfolglos – 250-Kubik-Maschinen mit vier Zylindern auffuhren; die Zeit, in der es für ein etwas besseres Taschengeld eine MZ aus dem Versandhauskatalog gab; die Zeit, in der das erste Wankelmotorrad das Licht der Welt erblickte; die Zeit, in der Harley-Davidson mit der italienischen Marke Aermacchi im Segment mitmischte; und die Zeit, an die beispielsweise Aprilia mit der aktuellen Tuareg anknüpft, die damals als 350er ihren ersten Auftritt hatte. Und wer erinnert sich beispielsweise noch an – ach, ja – Sanglas?

Autor Joachim Kuch schlägt einen lockeren Ton an, der die Leser ein wenig in ihre Motorrad-Anfangsjahre zurückversetzen soll. Illustriert ist der bunte Bilderbogen mit zeitgenössischen Herstellerfotos, Ausschnitten aus Testberichten und Anzeigenmotiven. Letztere stammen nicht zwangsläufig immer aus der Zweiradbranche selbst. So nutzten zum Beispiel die Zigarettenmarke Peter Stuyvesant und Philips die Motorradbegeisterung jener Jahre für Werbeanzeigen.

„Jungs, Eure 400er – Die 27 PS-Motorräder der 70er und 80er“ richtet sich klar an jene Leser, die damals mit dabei waren. Herausgekommen ist ein Buch für Nostalgiker, das auch die eine oder andere verschüttete Erinnerung wieder zu Tage fördert. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland laut Branchenverband IVM übrigens rund 8500 Motorräder neu zugelassen, die nicht mehr als 27 PS hatten. Das entspricht einem Marktanteil von immerhin fast sechs Prozent. Und die 400er-Klasse ist derzeit so modellreich wie in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr.

„Jungs, Eure 400er – Die 27 PS-Motorräder der 70er und 80er“ von Joachim Kuch ist im Motorbuch-Verlag Stuttgart erschienen. Das Buch hat 96 Seiten mit über 140 Abbildungen und kostet 14,95 Euro.


Text: (aum/Jens Riedel), Fotos: Autoren-Union Mobilität/Motorbuch-Verlag