Sicher, dem ist objektiv wohl so. Wollte man jedoch dieser Prämisse konsequent folgen, würde man nicht "Gas", sondern Benzin-Luft Gemisch geben und der Begriff des "Energieverbrauches" wäre zu Gänze sinnfrei, eingedenk des Energieerhaltungssatzes. In einem Forum wie eben diesem hier, gehe ich davon aus, dass die Teilnehmer wissen, was mit "Kolbenklemmer" umschrieben wird.
Falsch!
Komplett falsch!
Alles falsch!
Womit fangen wir
an bei der Erläuterung?
Vielleicht am
besten mit dem "Energieverbrauch"?
Also, wie wird
denn der Begriff "Energie" überhaupt in der klassischen Physik
definiert? (Diese Einschränkung ist angebracht, weil wir in diesem Forum z. B. keine
Quantenmechanik betreiben wollen noch können. Die hier zur Debatte stehenden
Themen lassen sich nämlich zudem vollständig mit den Werkzeugen der klassischen
Mechanik und Thermodynamik klären!) Nun denn, Energie besitzt die Eigenschaft,
physikalische Arbeit verrichten zu können. Die ggfs. dazu benötigten
Apparaturen lassen wir hier einmal "außen vor", nur: die
Brennkraftmaschine ist eine davon.
Robert Mayer
formulierte in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts den Energieerhaltungssatz,
nämlich dass Energie gewandelt werden kann, wo bei sie nicht
"verschwindet", sondern nur eine neue Form annimmt von den diversen
Möglichkeiten, in denen Energie sich manifestieren kann. In der
Brennkraftmaschine finden etliche derartige Energiewandlungsprozesse statt, von
der im Brennstoff gebundenen chemischen Energie letztendlich zur mechanischen
Energie, zu deren Erzeugung sie schließlich eingesetzt wird. Denn die
mechanische Energie soll mechanische Arbeit leisten. Das war bei den zur Bergwerkentwässerung im
18. Jahrhundert eingesetzten Dampfmaschinen so, und das ist auch noch bei den
zeitgenössischen MotoGP-Motoren so.
Mayer hat aber
damit nur dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik eine frühe Formulierung
gegeben. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik wurde aber erst 1850 von
Clausius formuliert. Um hier keine große Oper zu schreiben, besagt er simplifiziert,
dass die Energiewandlung nicht in jede beliebige "Richtung"
durchführbar ist. Die Theorie der ideal möglichen Wirkungsgrade der
Energiewandlung von thermischer zu mechanischer Energie hatte Carnot schon
einige Jahrzehnte zuvor beschrieben. Eigentlich müsste nun endlich der Begriff
"Entropie" in die Debatte eingeführt werden, aber dessen detaillierte
Erläuterung würde die meisten Leser hier so sehr überfordern, dass er im
Folgenden nur kurz vereinfacht gebraucht werden wird. Clausius definierte ihn
erstmals 1865. Der dritte Hauptsatz der Thermodynamik, der erstmals von Nernst
1905 formuliert wurde, ist hier nicht von Belang. Er hat aber das Verständnis
des Begriffs der Entropie wesentlich präzisiert.
Zurück zum
zweiten Hauptsatz: aus ihm geht hervor, dass alle Energiewandlungsprozesse
letztendlich zu Wärmenergie führen. Zusammen mit der physikalischen
Gesetzmäßigkeit der endlichen Wirkungsgrade bei allen Energiewandlungsprozessen
und der damit stetigen Entropie-Zunahme geht das Charakteristikum der Energie,
die Arbeits-Fähigkeit, mit jeder Energiewandlung mehr und mehr verloren. Die
Arbeitsfähigkeit ist verbraucht worden. Wenn in einem thermodynamisch
abgeschlossenen System sämtliche Energieformen in Wärme gewandelt wurden,
herrscht anschließend ein einheitliches Temperatur-Niveau, bei dem Wärmeenergie
keine Arbeitsfähigkeit mehr besitzt. Sämtliche im System zuvor vorhandenen
Energieformen wurden also durch Energiewandlung verbraucht.
Robert Mayer
wusste das noch nicht, obwohl sein erster Hauptsatz damals ein beachtlicher
Fortschritt in der Physik war.
Wer hingegen die
komplexe Thermodynamik z. B. eines Verbrennungsmotors nur mit ihrem ersten
Hauptsatz verstehen möchte, ist genauso "arm dran", wie wenn er die
komplexen Probleme der modernen Astrophysik allein mit Newton's
Gravitationsgesetz verstehen möchte.
Nächstes Thema:
der "Vergaser"
viele z. T.
unwissenschaftliche Begriffe haben umgangssprachlich ein langes Leben.
(Beispiel: die
"Pferdestärke"!) Die Laien mögen sich nicht von ihnen Trennen, und
die Nicht-Laien benutzen den Begriff z. B. weiter, um nicht unverständlich zu
erscheinen. So ist es auch mit dem Vergaser, für den schon seit vielen Jahrzehnten
der bessere Begriff "Zerstäuber" vorgeschlagen wurde, aber die Laien
mochten ihren Begriff nicht aufgeben. Heute spielt das kaum noch eine Rolle,
weil nur noch wenige Motoren diese Art der Gemischbildung verwenden. Auf dem
Gebiet der Kraftfahrzeug-Historie war und ist sie natürlich bei Otto-Motoren
der "Standard".
Aber gehen wir
einmal zurück in die Frühzeit des Motorenbaus, als der Begriff geprägt wurde.
Die damaligen Kraftstoffe wurden später "Leicht-Benzin" genannt.
Entstanden war die industrielle Herstellung
dieser Erdöl-Fraktionen aus dem Bedarf an "leichten bis sehr leichten
Lösungsmitteln". So auch das Reinigungsmittel, dem man damals den Namen
"Ligroin" verpasst hat. Bertha Benz hat 1888 Ligroin
"getankt", bei ihrer ersten Langstreckenfahrt nach Pforzheim, und
zwar bei der Apotheke in Wiesloch, die heute noch als erste Tankstelle der Welt
bekannt ist. Ich habe 1988 das "Reenactment" dort gesehen und
fotografiert, als der Apotheker im Outfit des späten 19. Jahrhunderts seine kompletten
Ligroin-Vorräte in den Tank des Replica-Benz entleerte. Die Veranstaltung wurde
vom Daimler organisiert und stand unter dem Motto: "100 Jahre Frau am
Steuer", heute vermutlich undenkbar.
Carl Benz ist
damals darauf gekommen, dass diese Reinigungsmittel hervorragend geeignet waren
als Treibstoff für seine Motoren. Ihr niedriger Siedepunkt (der Siedebeginn des
HC-Gemisches und die Siedekennlinie interessierte damals allenfalls die
Chemiker.) war perfekt geeignet für die damals noch notwendigerweise primitive
Gemischbildung. Dass sie andere Nachteile hatten, wurde erst im Lauf der
Motorenentwicklung klar und führte zur Einführung anderer Kraftstoffe.
Warum ist all
das hier "wichtig"? Weil die damaligen Gemischbildner korrekt als
"Vergaser" bezeichnet werden konnten. "Gas geben" war
damals ein korrekter Begriff. Beides hat sich halt umgangssprachlich erhalten.
Selbst als die ersten LKW mit Diesel-Motoren ausgestattet wurden, wurde weiter
"Gas gegeben", aber wer hätte schon sagen mögen, dass in diesem Fall
die Einspritzmenge dem Momentenbedarf anzupassen sei? Zudem, dass der
"Vergaser" in einigen Fällen den Treibstoff gar nicht
"vergasen" soll, sondern dass der Energieeintrag in das
Kraftstoff-Luft-Gemisch vorteilhaft - z. B. für den Liefergrad - erst später
erfolgen sollte, weit nach dem Eintritt des Treibstoffs in das Saugrohr, das
wusste man zum Zeitpunkt der Begriffsbildung auch noch nicht!
"Zerstäuber" passt immer, sagt aber niemand.
Ich möchte mit
diesen Bemerkungen zum Ausdruck bringen, dass m. E. der Gebrauch von Begriffen
dem Niveau der Debatte anzupassen ist. Wenn Laien "Gas geben" etc.
formulieren: komplett i.O., solange nicht präzisere technische Zusammenhänge
erläutert werden. (Die Analyse der Reiberspuren des Aermacchi-HD-Kolbens lässt
sich hingegen nicht trivial durchführen!) Dann werden Laien sofort auffällig, weil sie
die korrekten Begriffe nicht gebrauchen. Auch "nicht weiter schlimm",
solange sie nicht meinen, die Debatte dominieren zu können.
Abschließend:
mein
Ursprünglicher Post war keine "Prämisse" und kann auch nicht als
solche verwendet werden. Es handelt sich wie so oft um die Benutzung eines
Terminus. bei dem der Benutzer die Definition des Begriffs selbst nicht kennt!
So etwas eignet sich gut als Keule auf den Schädel des Anderen, in der
Hoffnung, der kennt die Definition des Begriffs auch nicht und kann also nicht
widersprechen! Ich lese und höre beispielsweise
tagtäglich zigmal Ideologie/Ideologe/ideologisch/etc., und buchstäblich keiner
von den Begriffs-Anwendern kann den Begriff überhaupt definieren! Ich frage
dann manchmal und bekomme Pippi-Langstrumpf-"ich mache mir die Welt und
die Begriffe, so wie sie mir gefallen"-Definitionen als Antwort. Ich habe
schon so oft herzhaft über solches Definitions-Gestammel lachen müssen.
Hinweis:
"Prämisse" ist ein Begriff aus der Argumentations-Theorie, einer
Disziplin der Philosophie. Wer von dieser Theorie keine Ahnung hat, sollte sehr
vorsichtig damit umgehen, sonst fällt er leicht als Dummbeutel (oder als
Demagoge) auf! Von meinem Vorposter las ich kürzlich den Begriff
"Doktrin". Jede Wette, dass er auch den nicht definieren kann, ohne
schnell bei Wiki nachgeschaut zu haben.....
Noch ein
Hinweis: belastbare Definitionen für fast alle wesentlichen Begriffe (also
nicht für "Buttermilch" oder
"Nieselregen", etc.)
findet man online bei den "Stanford Dictionaries / Stanford
Libraries"! Kann man googeln, wenn man
etwas lernen will! Ist aber ggfs mühsam,
das Studium der (nicht-deutschen) Definitionen, wie alles Lernen! Viel Erfolg!
P.S.:
wer durchgehend
den Begriff "Kolben-Klemmer" verwenden möchte, mag das meinethalben
tun. Er verliert damit allerdings die Möglichkeit, zwischen zwei
unterschiedlichen Phänomenen, dem "Klemmer" (den gibt es schließlich
auch, allerdings nicht oft!) und dem "Reiber" zu differenzieren! Is'
mir wurscht, wenn jemand den Unterschied nicht zur Kenntnis nehmen mag. Ich
will niemanden belehren, ich möchte nur meine eigene Terminologie weiterhin
benutzen, solange sie niemand ad absurdum führen kann.