Ekkehard Rapelius †

  • Erinnerungen von Helmut Dähne



    Ich kannte ihn aus meiner BMW-Zeit. Anfang der 70-er Jahre war er als Versuchsleiter zu uns in die Motorrad-Entwicklung gekommen. Nicht alle kamen mit seiner introvertierten, etwas wortkargen Art zurecht und unterstellten ihm eher Arroganz. Davon konnte ich selbst aber nichts bemerken. Ich kam gut mit ihm klar und es entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis. Er kam öfter abends mal an meiner Garage vorbei, wie z.B. im Winter 1972, und sah zu, wie ich meine Formel 750 BMW für Imola aufbaute. Den einen oder anderen guten Rat steuerte er gerne bei. Geschraubt hätte er bestimmt auch gerne, dazu war meine Garage jedoch zu eng. Vielleicht hat er es sich deshalb verkniffen seine Hilfe anzubieten. Es war aber zu spüren, wie gerne er mitgearbeitet hätte.

    Ekke kam als junger Ingenieur von Ford zu BMW-Motorrad, brachte aber schon aus seiner Jugendzeit Motorraderfahrung mit. Als Student nahm er mit seiner Adler an Zuverlässigkeitsfahrten auf dem Nürburgring teil. An diesem Motorrad gab es natürlich viel zu schrauben, ebenso an seiner geschätzten Zündapp Bella. Früh sammelte er also Erfahrung mit motorisierten Zweirädern. Von Anfang an zeigte Ekke bei BMW ein Faible für den Geländesport. Der war ihm schon in Köln vom Motorsport Club Porz eingeimpft worden. 1973 nahm der Raps, wie wir den Rapelius auch nannten, erstmals an der Dolomiten-Rallye teil. 1999 und 2001 wieder. Auch bei 5 Treffen war er dabei. Zuletzt 2016.
    In den 70-er und 80-er Jahren half er mir immer wieder bei der Streckensuche oder beim Auspfeilen. Da zeigte sich eine seiner Besonderheiten. Eine physische: Morgens fuhr der Raps fast regelmäßig äußerst langweilig durch die Gegend. Am Anfang fragte ich dann mal was los sei, er würde doch nachmittags auch ordentlich Gas geben. Sein Kreislauf müsse erst noch in Schwung kommen, meinte er. Eine Kaffeebar würde helfen. Die nächste Bar war unsere. Dort nahm er einen Espresso und einen Grappa zu sich, dann lief’s wieder.
    Wie viele andere BMW-Mitarbeiter auch, baute er sich in den 70-er Jahren nebenher ein geländegängiges Motorrad auf. Von Mal zu Mal sah es anders aus. Tank und Schutzbleche waren rot. Der „Rote Teufel" war entstanden. Ein Grundstein für die GS, das erfolgreichste Motorradmodell von BMW. Nicht nur von BMW. Noch kein anderes Motorrad war über fast 40 Jahre Bestseller und Ekkehard Rapelius war einer der wesentlichen Väter dieses Modells. Trotzdem verließ er die Firma anfangs der 80-er Jahre. Es zog ihn in den Süden. Zunächst ging er zu Steyr-Puch, dann nach Barcelona zu Seat, wo er sich pudelwohl fühlte.

    So wortkarg wie er war, so sparsam war er auch mit der Kontaktpflege. Fast hätten wir uns aus den Augen verloren. Aber er kam zurück. Seine neue Heimat wurde der Odenwald. Er übernahm einen Job als Entwickler bei einem großen Zulieferer für die Automobilindustrie. Nun belebte er wieder seinen zweiten Sport - das Schießen. Darin war er sehr erfolgreich. Ich weiß nicht wie oft, jedenfalls wurde er vielfacher Deutscher Meister.
    Bei Berfelden hatte er, ganz am Ortsrand, kurz vor Nirgendwo ein Haus, zusammen mit seiner Lebensgefährtin. In einem unserer letzten Gespräche eröffnete er mir, dass diese Beziehung auseinander gegangen sei und er sich verändern möchte. Er wolle wieder zurück nach Barcelona, dorthin wo das Leben tobt. Außerdem lebe dort eine seiner Töchter. Ich war mir nicht sicher, ob diese Idee aus klaren Gedanken entstanden war. Schon bei meinem Besuch, ein Jahr vorher, bemerkte ich Gedächtnislücken, die mich nachdenklich stimmten. Ich riet ihm ab von seinem Vorhaben, nach dem Motto: Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Immerhin stand der Ekke schon nahe am 80-er. Ein wenig stur war er ja auch und so zog er die Idee durch und ging wieder nach Spanien.
    Eine schleichende Altersdemenz zeigte sich immer mehr, er kam kaum noch alleine zurecht. Die Töchter kümmerten sich um ihn und brachten ihn in der Nähe von Olching, wo seine älteste Tochter lebt, in ein Pflegeheim. Sie besuchte ihn täglich, regelte alles für ihn. Das Leiden schritt schnell voran, Organe begannen zu versagen. Auch im Krankenhaus konnte man ihm nicht mehr weiter helfen. Laszlo Peres und ich besuchten den Ekke noch. Das Sprechen gelang ihm nicht mehr, aber ein Ausdruck von Freude huschte über sein Gesicht und wir sind uns sicher, dass er uns erkannt hatte, worüber wir uns sehr freuten. Fünf Tage später, am 8. Juli 2019, war sein Leben zu Ende. Wir sind sehr froh, Lazi und ich, dass wir Ekkehard Rapelius noch mal gesehen haben. Der Raps, ein wesentlicher Teil meines mittleren Lebensabschnitts. Ich war gerne mit ihm unterwegs.