Ein Kampf um Strom

  • Werden Motorradfahrer im Allgemeinen, "Rennfahrer" der Klassik Szene im Besonderen gefragt, wie sie miteinander umgehen, wird oft eine überschäumende Hilfsbereitschaft betont, die es im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen in dieser Form nicht geben würde. Sicher, es gibt Gespannfahrer, die nehmen einmal im Jahr einen Schwerbehinderten im Seitenwagen mit, nehmen eine mögliche Verschmutzung des Bootes in Kauf. So etwas hat man von einem Porsche Fahrer noch selten gesehen. Man kann auch sicherlich im Fahrerlager von den meisten Kollegen mal einen Kabelbinder geschenkt bekommen. Bei einer M 8 er Schraube wird es aber dann schon schwierig, sollte man auch noch gewisse Wünsche betreffend der Länge äußern. In solchen Fällen muß der Bittsteller sich schon einige Bemerkungen gefallen lassen, schlimmstenfalls sogar eine empfindliche Bierspende an den Schraubenbesitzer entrichten.


    Ganz bitter wird es aber, wenn sich ein zu spät Gekommener einen Stromanschluß für sein Wochenendheim besorgen muß. An diesem Punkt hört jeglicher Spaß auf. Das Fahrerlager verfügt ja in der Regel nur über eine begrenzte Anzahl von Direktanschlüßen, der Rest teilt sich dann, je nach Kabeltrommellänge und Ankunftszeit, in ein unübersehbares Stromnetz aus. Dabei wird jede freie Steckdose verteidigt, als sei davon der Zusammnenbruch des ganzen Gebildes zu befürchten. Die meisten betrachten auch den Strom, der aus ihrer noch freien Dose fließen könnte, als ihr Eigentum und verlangen vom dem suchenden Kollegen präzise Angaben über die zu erwartenden Stromverbräuche und Lastspitzen.


    Werden hier falsche Angaben gemacht, ist die Sache meist endgültig verloren. Empfehlenswert in solchen Situationen sind Hinweise auf die 3 W Stablampe oder das I-phone des Sohnes, welches unbedingt über Nacht aufgeladen gehört. Hinweise auf Kühlgeräte, Fernseher oder Startmaschinen bringen die Verhandluhngen meist schnell zum Erliegen.


    Mitstreiter aus der Schweiz erweisen sich als besonders hartnäckig, deutschen Atomstrom herauszurücken, verweisen gerne auf die unterschiedlichen Steckdosen. Adapter auf deutsche Technik werden als nicht zulässig und gefährlich zurückgewiesen.


    Keinesfalls darf der Fehler gemacht werden, freie Steckplätze ohne Rückfrage und Verhandlung einfach zu besetzen. Auch ist es unzulässig, sich von untergeordneten Mitgliedern der Stromanbieter eine Erlaubnis zu holen, maßgeblich für den dauerhaften Bezug ist immer der Rottenführer, meist der Fahrer selbst. Diese Person zu finden ist oft schwer, Zeit gespart ist aber durch den Hinweis, daß Frauen, Kinder und Hunde grundsätzlich über keinerlei Weisungsbefug in dieser Sache verfügen.


    Gerade in den Abendstunden ist es möglich, daß der vermeintliche Stromanbieter gerade mit der Zubereitung der Nahrung, schlimmstenfalls bereits mit der Aufnahme derselben, beschäftigt ist. Fragen zu diesem Zeitpunkt sind äußerst riskant unf führen oftmals zu keinem Ergebnis. Zu lange darf aber auch nicht gewartet werden, man läuft Gefahr in die Phase der Trunkenheit hinein zu laufen, in diesem Zeitfenster wird der Bittsteller auch noch gerne mit seinem Ansinnen vor den versammelten Fans ins Lächerliche gezogen, was das Selbstvertrauen bei weiteren Versuchen ins Bodenlose sinken läßt.


    Den Veranstalter bei Problemen mit einzubeziehen, ist völlig wirkungslos. Der vertraut auf die Selbstheilungskräfte des Fahrerlagers und hat sowieso ein schlechtes Gewissen, da nur er über die wirkliche Kapazität seiner Stromversorgung weiß und ebenfalls hinter jedem Beschwerdeführer einen Heizlüfter vermutet.


    So mach ich mich bei jeder Veranstaltung mit zwei Kabeltrommeln auf die Suche nach einem der seltenen Zeitgenossen, die mir für meine Stablampe und das I-Phone eine Steckdose überlassen. Da muß dann oft irgendwo im Niemansland die eine Kabeltromel als Zwischenkasten zurückgelassen werden. Deren 3 freie Steckplätze sind nach mindestens 10 Minuten von anderen Mitbürgern belegt, wetten ?


    Ein gutes Gewissen verschafft man sich schnell, wenn einmal, nach dem Gotttesdienst im Grünen, ein Hüppiger für 30 Minuten im Seitenwagen sitzt. Oder man einem verzweifelten Nachbarn einen Kabelbinder leiht, damit der seinen Transponder festmachen kann. Die vielbeschworene Hilfsbereitschaft hat aber sehr schnell da ihre Grenzen, wo sie mal einen richtigen Praxistest zu bestehen hat. Und sei es auch nur der Kampf um ein bißchen Strom. Daran sollten wir arbeiten.


    Gruß



    Stefan

  • Investition in eine ruhigere Zukunft

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    Ganz bitter wird es aber, wenn sich ein zu spät Gekommener einen Stromanschluß für sein Wochenendheim


    ja, wie sagte Gorbi damals zu Erich: "Wer zuspät kommt, der hat kalte Nudeln!"



    pur

    "Ich hatte eine sehr schwere Kindheit. Ich kam praktisch ohne Zähne zur Welt und war die ersten Jahre so gut wie infantil. Einiges davon habe ich bewahren und an kommende Generationen weitergeben können." TG