Es war kein Großergeignis, eher ein Leckerbissen für Autoliebhaber, der "Schwäbische Hill Event". Unter dem sperrigen Namen verbarg sich ein Bergauffahrt am Rande der schwäbischern Alb, kurz vor Tübingen.
Diese Stadt ist mit einer äußerst reizvollen Altstadt und einer renomierten Universität ausgestattet. Merkmale, die in Deutschland Menschen anziehen, deren Begeisterung für Motorsport sich normalerweise in Grenzen hält. So hat Tübingen demzufolge als einer der wenigen Städte in Deutschland, die sich so etwas leisten können, einen grünen Bürgermeister. Umso höher zu bewerten ist die Tatsache, daß es dem Veranstalter, Herrn Rainer Klink, jahrelang gelungen ist, alljährlich ein wahres PS Spektakel vor den Toren dieser linksalternativen Metropole genehmigt zu bekommen.
Die Strecke war wenig berauschend: Am Start ein unmöglicher, schlecht einsehbarer Rechtsknick, gefolgt von langen Geraden, unterbrochen von zwei schnellen Linkskurven, eine gefährliche Rechtskurve, bei der die Zuschauer im Falle eines Sturzes unweigerlich zu Schaden kommen, kurz vor dem Ziel eine Lindenalle, von der noch zu sprechen sein wird.
Am Schluß ein beherzter Rechtsknick, an dem die massig vorhandenen Zuschauer den Piloten zu Schräglagen antreiben, die dort nicht unbedingt notwendig gewesen wären.
Das ganze sollte wohl ein wenig an englische Vorbilder erinnern, weshalb das Fahrerlager auch in einem Bauernhof angesiedelt war, dessen Name stolz mit "Hofgut" angegeben wurde und Herr Klink in einem Aufzug umherspazierte, der Ihn mehr als Mitglied eines britischen Adelsgeschlechts auswies, denn als Organisator eines Bergrennens.
Das Konzept überzeugte, die Zuschauer strömten in Massen, Liebhaber klassischer Automobile kamen voll auf ihre Kosten, aber auch für uns Motorradfreunde gab es genügend Anlaß, hier einen Samstag zu verbringen.
Nun fuhr vor zwei Jahren ein Vierrad Kollege etwas unvorsichtig zu seinem Start den Berg herunter, kam von der Strecke ab und verletzte eine Zuschauerin, wie man hörte, schwer. Ich befürchtete für diese Veranstaltung das sofortige Ende. Umso mehr war ich überrascht, vom Veranstalter im Jahr darauf erneut eine Einladung zu erhalten.
Bei diesem "Rennen" jedoch, im September 2008, passierte das Unfaßbare: Erneut kam ein Autofahrer von der Strecke ab, erfaßte keine Menschen, aber touchierte zwei der stolzen Linden am Eingang der besagten Allee. Die Bäume konnten zunächst stehenbleiben, eine genauere Untersuchung durch Experten und Baumchirurgen ergab jedoch den traurigen Befund, daß beide Stämme gefällt werden mußten.
Die Südzucker AG, Pächter der Einsiedel Anlage und demzufolge Herr der Linden, kündigte daraufhin den Verantwortlichen die Genehmigung für eine neue Veranstaltung. Ferner führt sie noch Prozeße gegen den Unfallverursacher und die Veranstalter, da mit dem Verlust der zwei Planzen offensichtlich unschätzbare Kulturgüter dem Abendland verlustig gingen.
Herr Klink machte sich noch die Mühe, allen Fahrern in einem persönlichem Schreiben die Absage für 2009 zu erklären und mitzuteilen. Dieses Schreiben beschreibt großes Verständnis für die Entscheidung der Baumfreunde und ist durchsetzt mit Unterlegenheitsgesten gegenüber der Südzucker AG. Ein Schreibstil, ähnlich der "DDR" Oma, die vor 30 Jahren einen Antrag auf Westbesuch stellte.
Man muß sich das einmal vorstellen: Da kommt 2007 auf Grund eines technischen Versagens oder eines Fahrfehlers ein Mensch zu Schaden und nichts passiert. Ein Jahr später erwischt es wieder ein Lebewesen, diesesmal aber handelt es sich um einen schlichten Baum, und das ganze wird zum Anlaß, diese tradionsreiche und wunderschöne Veranstaltung zu zerstören.
Ich erfreue mich ja auch über die üppige und kraftvolle Vegetation in unserem Lande, unter Umständen haben ja sogar die Minderheiten Recht, die glauben, auch Pflanzen könnten Sprechen, vielleicht sogar Lesen. Wenn aber überhaupt, hätte ich Verständnis für Konsequenzen auf Grund des verletzten Mädchens gehabt. Niemals aber wegen zweier dusseliger Bäume.
Gruß
Stefan