Sonntagsarbeit?

  • Der Bussen ist ein 762 Meter hoher Berg bei Uttenweiler in Oberschwaben. Er ist einer der meistbesuchten Wahlfahrtsorte Oberschwabens und ein hervorragender Aussichtsberg mit Blick bis zu den Alpen. Seit vielen Jahren führt mich immer im Herbst eine Tour in diese Gegend. Durch die Nähe zur Donau braucht die Sonne in dieser Jahreszeit lange um sich durch den Nebel zu kämpfen. Auf den Anhöhen aber ist es viel früher sonnig und warm und es herscht eine tolle Fernsicht, während die Ortschaften unten noch im Nebelmeer liegen.


    Das war aber vor einigen Jahren Ende Oktober nicht der einzige Grund, als ich sonntagsmorgens meine Yamaha XJ 900 den Bussen hochtrieb. Vielmehr hatte ich am Abend zuvor bei einem Motorradtreffen am Lagerfeuer erfahren, dass das dortige Gasthaus Steiner immer sonntags seine Ausstellungshalle mit Oldtimern, Traktoren und alten landwirtschaftlichen Geräten öffnen würde. Als ich dort ankam, war der Wirt gerade damit beschäftigt, seinen Biergarten herzurichten. Er sah sich mit großem Bedauern nicht in der Lage, die Sammlung zu öffnen, da sich viele Gäste zum Mittagessen, Kaffee und Kuchen angekündigt hatten, um den vielleicht letzten sonnigen und warmen Sonntag in diesem Jahr auszunutzen. Die Biergartenmöbel waren bereits eingewintert gewesen und das Aushilfspersonal in der Winterpause; die ganze Arbeit lastete also auf dem armen Mann. Mit der Zusage, dass er das Museum aber um 14.00 Uhr öffne, verließ ich den Bussen wieder. Nach einer tollen Tour über kleine und allerkleinste Sträßchen durch Oberschwaben stand ich pünktlich wieder auf der Matte. Und nicht nur ich, auch andere Interessenten warteten schon. Was macht da der wackere und gestandene oberschwäbische Gastwirt, der sich vor Gästen im Biergarten nicht retten konnte? Er schließt einfach das Museumsgebäude auf, kassiert den geringen Obolus, faßt mich ins Auge und drückt mir dann den Schlüßel in die Hand. "Du siehst aus wie wenn man dir vertrauen könnte. Schau dich ruhig um, paß auf, dass keiner was klaut und kassier ab, wenn neue Besucher kommen. In einer halben Stunde ist dann hoffentlich mein Sohn da und löst dich ab. Wenn du vorher schon genug gesehen hast und keine Besucher mehr da sind, bringst du mir den Schlüßel runter in die Wirtschaft." Und weg war er. Ungewollt war ich zum Museumswächter geworden.


    Langweilig wurde es wir aber sicher nicht. Ein motorradfahrendes Rentnerpaar, deren Gummikuh mit Telefonzelle (BMW R 100 RT) vor dem Museum gestanden hatte, verwickelte mich gleich ins Gespräch: "Fährst du auch eine BMW?". Meine Antwort: "Nein, nein, erst wenn ich keinen Sex mehr habe" hat beide dann aber ganz schön irritiert. Er ließ es sich dann aber nicht nehmen, aufzuzählen, was er schon alles gefahren hatte. Als dann das Stichwort "NSU Max" fiel, mischte sich sofort ein anderer Besucher ein und gab zum Besten, was er alles mit diesem Motorrad (5 x M = Mit Motorrad meint man Max) früher erlebt hatte. Als das Gespräch unter Einbeziehung aller über 60 jährigen männlichen Besucher darin mündete, ob jetzt die Max, die Puch oder die DKW damals schneller war, klinkte ich mich aus. Die Sammlung konnte ich aber trotzdem nicht in Ruhe anschauen, den immer wieder mußte ich kassieren oder mir anhören, dass der Nachbar früher auch so einen Traktor gehabt hätte oder man erst vor kurzem so ein altes Fahrrad auf den Sperrmüll gestellt habe. Irgendwelche Luftschnapper (sorry, so heißen bei uns von der Alb halt die Sonntagsausflügler aus dem Ballungsraum Stuttgart) erkundigten sich dann was man den mit dem oder dem alten Gerät früher hergestellt hätte. Da war ich froh, das ich im ländlichen Bereich aufgewachsen bin und durch meine Interesse an alten Dingen (nicht nur Motorrädern und Autos) sowie vielen Besuchen in Freilichtmuseen mir ein klein bißchen Wissen angeeignet hatte. Und wo ich passen mußte, sprangen dann sofort andere ein.


    Das Museum war den ganzen Mittag über gut besucht und mehr als 2 Stunden rum, als der Sohn des Wirtes endlich auftauchte. Den Pott Kaffee und ein großes Stück Kuchen in der Gartenwirtschaft spendierte mir dann der Wirt, quasi mein Honrorar.


    Es wurde schon dunkel, als die XJ und ich wieder die heimatliche Garage erreichten. Meine bessere Hälfte hielt meine Begründung fürs späte Eintreffen für eine Ausrede. "Konntest wohl mal wieder nicht genug kriegen vom Fahren und mußtest sicher wieder alle deine Hausstrecken vor dem Winter abfahren."


    Als ich am Montag bei der Arbeit erzählte, wie ich meinen Sonntagnachmittag verbracht hatte, hagelte es Kommentare wie: "Deutschland hat jede Menge Arbeitslose. Nimm denen doch nicht die Stellen weg." oder "Schwarzarbeiter". Den Aufforderungen meine Nebentätigkeit beim Personalbüro umgehend anzumelden oder eine Runde Kaffee zu spendieren, ansonsten würde das Finanzamt anonym einen Hinweis wegen Steuerhinterziehung erhalten, bin ich nicht gefolgt.


    Auf dem Bussen war ich seither schon einige Male (nicht nur im Herbst) und habe den Blick zu den Alpen schweifen lassen. Im Museum war ich aber bisher nicht mehr. Den eigentlich bin ich am Sonntag arbeitsscheu.

  • Ganz liab gschriebn!!!!!!!


    Sehe Dich bildlich vor mir wie Du in die Weite - ins ferne Allgei starrst .....:-)


    Spass beiseite - Ernst komm Du raus - ECHT TOLL!!!


    Setzen - weiter machen.


    Warte auf die naechste Geschichte.