In unserer damaligen Mofa- und Mopedclique, so Mitte der 1970iger Jahre, gab es auch Kumpel Willi. Er war als Schüler stolzer Besitzer eines Zündapp-Automatik-Mofas in goldgelb und immer gut für einen "dicken Hund".
Szene 1: Willis Augen hatten nicht mehr die beste Sehschärfe, doch die ihm verpasste Brille trug er am Anfang so gut wie nie, verringerte sie doch seiner Ansicht nach, seinen Chancen beim anderen Geschlecht deutlich. Eines Sommertages waren wir zu dritt über Landstraße unterwegs und näherten uns von hinten mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuss von ca 5 km/h einem Traktor mit Anhänger. Vorneweg Willi mit der Zündapp, ich mit meinem Mars-Mofa (die Quelle-Kaufhaus-Ausführung der Solo-Mofas) und ein weiterer Kumpel mit einem alten DKW-Moped dahinter. Den Gegenverkehr in Form eines Autos konnte man auf der langen Geraden schon von weitem sehen. Willi jedoch kniff die Augen zusammen, beugte sich zwecks Verringerung des Luftwiderstands über den Lenker und zog raus um zu überholen. Mit blieb fast das Herz stehen und dem entgegenkommenden Autofahrer wohl auch. Das da was kam, erkannte nunmehr Willi auch, ging kurz vom Gas, schwenkte zwischen Traktor und Anhänger etwas ein, ließ das Auto passieren um dann unerschrocken wieder am Gasgriff zu zerren und den Überholvorgang zu beenden. Autofahrer und Traktorfahrer hupten wie wild und schüttelten den Kopf oder die Faust. Am Treffpunkt angekommen, erzählte Willi dann zwar was von "ganz mein Fahrstil", wir empfahlen ihm zukünftig bei Fahrten ohne Brille die gelbe Armbinde mit den schwarzen Punkten zu tragen, damit andere Verkehrsteilnehmer sich auch darauf einstellen können.
Szene 2: Ich war schon stolzer Besitzer einer gelben Kreidler Florett RS-B(linker), als Willi arg mitgenommen bei mir zuhause auftauchte und mich bat, ihn ein paar Nachbarorte weiter zu fahren, damit er dort an einem Grillplatz sein Mofa abholen könnte. In der Nacht zuvor hatte er seine Versetzung in die nächste Klasse gefeiert. Das Mofa stand aber dort, wo Willi dachte, nicht. Auch konnte keiner der anderen Partyteilnehmer, die wir innerhalb der nächsten Stunden aus den Betten klingelten, zum Verbleib des Mofas Auskunft geben. Willi war jetzt der festen Ansicht, dass das Mofa wohl geklaut worden sei und wollte, das ich ihn zur Polizei bringe, damit er den Diebstahl melden könne. Nachdenklicher Blick von mir und dann die Frage, die eigentlich schon längst gestellt gehört hätte: "Wiillii... wie bist du nachhause gekommen?" "Gute Frage - nächste Frage. Aufgewacht bin ich in meinem Bett ..... aber wie ich da hingekommen bin .... keine Ahnung ... Filmriß..." Also zurück in unseren Heimatort (natürlich hatte es zwischenzeitlich angefangen zu regnen), die Scheune aufgerissen und da stand die goldgelbe Zündapp, zwar stark verschmutzt, aber komplett. In der Nacht zuvor war Willi wohl zu dritt auf seinem Mofa unterwegs gewesen: er selbst, sein Schutzengel und sein (2-Promille-)Affe.
Szene 3: Beliebter Treffpunkt war der Hof vor der Firma meiner Eltern. Dort standen im Sommer 1975 5 oder 6 Floretts aus dem Hause Kreidler sauber aufgereiht nebeneinander. Die Fahrer dazu saßen auf einer Holzbank und die Gespräche drehten sich wie immer um die wichtigsten Dinge der Welt: Moped, Mädchen, Wochenende und Weizenbier. Da bog Willi in den Hof ein, gab nochmals kurz Gas und griff dann in die Bremshebel. Seine Augen weiteten sich, ungebremst zog er mit einem Schlenker an den Mopeds vorbei und prallte auf die Hauswand. Es hob ihn aus dem Sattel, über den Lenker, den er nicht losließ, nach vorne und kurz bevor sein Kopf die Hauswand beschädigte, wieder zurück in den Sattel. Er war nicht einmal umgefallen und stieg dann ab. Die Gabel am Mofa war krumm und bei näherer Untersuchung stellten wir dann fest, das links der Bremszug gerißen war und rechts, da die Schraube fehlte, der Hebel bei seinem harten Zugriff nach unten gerutscht war. Wenn Willi die nächste Zeit irgendwo auftauchte, sprangen alle auf und schoben die Mopeds weg. Sicher ist sicher.
Szene 4: Willi trug zwischenzeitlich seine Brille regelmäßig, hatte den Autoführerschein und ein Auto. Eines Freitagnachmittags kam er wieder in unseren Hof gefahren und wollte wissen, was den abends so bei den Motorradfreunden abginge. Zwischenzeitlich war auch meine Mutter vom Einkaufen zurück, hatte die Taschen ausgeladen und in den Hof gestellt, um das elterliche Auto in die Garage zu fahren. Abendprogramm war klar und Willi knallte den Rückwärtsgang rein, winkte noch kurz meiner Mutter zu und fort war er. Im Hof zurück blieben die Einkaufstaschen, vor wenigen Sekunden noch prall gefüllt mit den Wocheneinkäufen und den Schokoladehasen fürs anstehende Osterfest, jetzt recht platt. Willi hatte sie einfach überfahren und brachte später auch überhaupt kein Verständnis dafür aus, dass mein Vater aus Sicherheitsgründen ihn bat, zukünfig unseren Hof nur noch zu Fuß zu betreten und alle Fahrzeuge, die er je bewegen würde, auf der Straße davor abzustellen.