Der Frühling kommt mit warmen Tagen und lockt die Menschen aus ihren Behausungen an die frische Luft. Darunter sind auch einige Motorradfahrer, die sich plötzlich wieder an ihr Motorrad erinnern. So auch mein Nachbar.
Sein Bike ist meistens in einer dunklen Ecke abgestellt und als Ablagefläche für Kartons und Gartenstuhlpolster zweckentfremdet. Mit 0,5 bar Luftdruck in den Reifen und noch den Dreck der letzten Herbsttour an den Felgen, wird das matte Krad an die Sonne gezerrt. Durch diverse äußerlichen Modifikationen, ganz nach dem Geschmack des Besitzers, ist auf den ersten Blick das Fabrikat schwer zu identifizieren. Der aufgeklebte Schriftzug mit japanischen Zeichen soll "Honda" heißen. Die Abdrücke der Beläge auf den Bremsscheiben bezeugen die lange Standzeit. Der alte Sprit im Tank ist so zündwillig wie Bünting-Tee mit Rum. Nicht einmal den Briggs&Stratton-Motor des Rasenmähers würde er Leben einhauchen. Die Batterie? Sie ereilte der lautlose Tiefentladungstod. Eine Zeituhr und die nachträglich eingebaute Alarmanlage von "Hein G." saugten die Zellen ins Nirvana. Mit 16 qmm dicken Starthilfekabeln wird kurzerhand zum 66 Amp/h des hauseigenen Diesel-Daimlers überbrückt. Minutenlang jammert der kleine Nippon-Anlasser um Gnade. Eisern hält die helfende Hausfrau den Daumen auf den Starterknopf, während der Chef des Hauses schon die zweite Maxi-Dose Startpilot hnter die Seitendeckel vernebelt. Irgendwo in der Nähe muß doch der Ansaugschnorchel der Airbox sein! Plötzlich hustet der Motor in die nur schwach gedämpften Marshall-Rohre. Die Zylinder sind sich noch nicht mit der Zündfolge einig. Hart hackt der Vierzylinder in den Anlasserfreilauf. Wie ein Berserker dreht der Biker am Gasgriff, als wolle er das Motorrad aufziehen wie ein Schuko-Modellauto. Seine drei Kinder halten sich und den Hund in respektvollem Abstand. Der Geist der verstorbenen Batterie steigt in Form von kleinen Rauchsäulen himmelwärts. Schlagartig dreht der Motor auf einmal hoch! Die Kinder halten sich die Ohren zu. Der Kampfdackel reißt sich los und verbeißt sich im 170er Hinterreifen. Die Drehzahl pendelt sich auf ca. 6000 Umdrehungen ein. Das zähe alte 20W50 HD Motoroel verirrt sich im Labyrinth des Schmierplans und weiß nicht, welche Reibungspunkte es als Erstes versorgen soll. Das verkniffene Gesicht des Besitzers entspannt sich. Na also! Warum nicht gleich so? Der Biker scheint zufrieden zu sein. Mit Hausschlappen wird in der Spielstraße der Siedlung noch kurz der Drehzahlbegrenzer getestet. Ich höre den Fahrer schon reden:" Der Hobel springt immer an, egal wie lange er gestanden hat." Der Satz war kaum zu Ende gedacht, da sagt eines der Nachbarkinder:" Papa hat gesagt, die "Feierblöd" läuft immer!" Ich denke, wie recht er hat. Ein gutes Motorrad! Und so klaglos!