Veranstaltungen mit klassischen Rennmotorrädern schießen wie Pilze aus dem Boden und wir bestaunen hohe Zuschauerzahlen. Die Menge an Besuchern erreicht sicherlich noch nicht das Niveau von Flohmärkten oder gar Ritterspielen, darf aber durchaus in vielen Fällen schon als lokales Großereignis eingeschätzt werden.
Mit steigendem Interesse der Bevölkerung an unserem Sport muß jedoch ein Absinken des Fachwissens unserer Gäste in Kauf genommen werden, wovon der nachfolgende Bericht Zeugnis ablegen soll:
Auch ich gehöre zu den in Klassik Kreisen ungeliebten Zeitgenossen, die ab und an das Nummerschild ihrer Serien Guzzi abschrauben und an Rennen mit klassischen Motorrädern teilnehmen.
Dabei stellt die Guzzi im normalen Leben nichts besonders dar. Gelegentlich beobachte ich Interessierte, die vor dem Fahrzeug in die Hocke gehen und nachdenklich den Bereich unter dem Tank in Höhe der Vergaser untersuchen. Meist stehen diese Menschen nach einiger Zeit mit einem Seufzer und der Bemerkung wieder auf, es handele sich leider doch nur um ein Exemplar der II-er Reihe. Die Mühe hätten sie sich sparen können, denn eine LM I ist von einer LM II schon aus 25 m Entfernung an der Lage der Bremssättel, auch für Kurzsichtige, leicht zu unterscheiden.
Ganz anders, wenn eine Startnummer auf den Tank geklebt wurde. Dann ist das Motorrad und sein Fahrer auf einmal umringt von einer begeisterten Fanschar, auch wenn ich vorher vergessen hatte, den Spiegel abzuschrauben. Ich muß Fragen nach meiner Rennkarriere beantworten während hundert Meter weiter Jim Redmann erfolglos versucht, seine Biographien zu verkaufen.
Vor einigen Wochen fuhr ich bei einem als Demonstrationslauf getarntem Bergrennen mit. Ich lud einige Bekannte ein, wovon einer, wir wollen Ihn Klaus nennen, einen dieser cremefarbigen, schwuchteligen BMW Chopper fährt. Dieses Motorrad braucht kein Mensch und darf wohl allenfalls als Hommage der BMW AG an die nordamerikanische Schwulenszene verstanden werden. Klaus ist aber erwiesenermaßen normal veranlagt, galt er doch, bis zu seiner Hochzeit, im Raum Böblingen/Sindelfingen als der Frauenheld schlechthin.
Im zweitem Lauf trieb ich die Guzzi mit höchstem Risiko, insbesondere durch die Zielkurve. Weniger meiner Fans wegen, sondern eher um meiner Frau zu demonstrieren, was für einen schneidigen Haudegen Sie da vor 14 Jahren heiraten durfte.
Diese vergangenen zwei Minuten auf der Strecke, in denen mein Leben am seidenem Faden hing, hatten mich durstig gemacht, ich suchte umgehend das nächste Bierzelt auf. Dort im Kreise meiner engsten Fans bemerkte ich, daß Klaus mit meiner Leistung nicht zufrieden war. Ich sei ja als Letzter angekommen, was denn auf der Strecke passiert sei ?. Ich versuchte Ihm zu erklären, daß am Berg nicht alle gleichzeitig losfahren, daß da einer alle 15 Sekunden einen losläßt und das einer die Zeit nimmt, alles vergeblich. Klaus fehlte die Vorstellungskraft für eine so umständliche Auslese zwischen Langsam und Schnell. Für Ihn ist der erste Fahrer im Ziel auch der Sieger, der Letzte der schlechteste der Verlierer, so hat er es von Kai Ebel gelernt.
Ich verzichtete auf eine Aufklärung der wirklichen Kriterien für einen Pokal, denn die deutsche Erfindung der Gleichmäßigkeitswertung hätte nun wirklich den ganzen Biertisch intellektuell völlig überfordert.
So werden wir in Zukunft immer mehr begeisterte Anhänger an den Rennstrecken begrüßen dürfen, müssen aber auch damit rechnen, daß unsere neuen Fans von unserem Sport so wenig Ahnung haben, wie ein Neger vom Schlittschuhlaufen.
Ich für meinen Teil werde mich beim nächstem Bergrennen beim Start ganz nach vorne drängeln. Und mich im Bierzelt als Sieger feiern lassen. Wenigstens einmal im Leben.
Gruß
Stefan