Teil 1
MZ RE 50 und RE 125

Als das „Kompressor-Verbot“ im Motorradrennsport für die Saison 1951 auch in den beiden deutschen „Teilstaaten“ in Kraft trat, war klar, dass der Rennzweitakter nun kaum noch konkurrenzfähig sein konnte. DKW und besonders H.P. Müller gewannen zwar trotzdem die 125er DM, aber nur weil die Neckarsulmer die Rennfox zu spät in der Saison erstmals an den Start brachten. In Zschopau hatte man bereits 1949 wieder Rennsport auf Basis der Serien-RT 125 betrieben, aber man machte sich keine Illusionen, dass damit international etwas zu gewinnen sein könnte. Dann stellte sich jedoch bald heraus, dass es sogar noch einen nationalen Gegner gab, der den Zschopauern auf der Nase herumtanzte:
Der Vorkriegs-DKW-Werksfahrer Bernhard Petruschke bewegte einen ebenfalls auf der RT 125 basierenden, aber stark modifizierten Eigenbau namens „ZPH 125“ meisterhaft und konnte sich einige Male sogar international (z.B. auf der Solitude 1952) so gut in Szene setzten, dass den Fachleuten der ungewöhnlich leistungsfähige Zweitaktrennmotor auffiel.

Die wesentliche Modifikation des Motors bestand in dem von Daniel Zimmermann  (dem „Z“ von ZPH, das „P“ steht natürlich für Petruschke und das „H“ für den Mechaniker D. Henkel) erdachten und in der DDR sogar patentierten Plattendrehschieber.
Ganz klar: Die ZPH bedeutet nichts anderes als die Geburt des modernen, nicht aufgeladenen Zweitaktrennmotors!!
Allerdings hatte Daniel Zimmermann nicht nur Freude an seiner (zuerst in seinem eigenen, allerdings bei einem Unfall durch Totalschaden verloren gegangenen Formel III-Monoposto erprobten) Konstruktion, denn dem für die Fahrzeugindustrie und folglich für den Motorsport verantwortlichen Ministerium war es ein Dorn im Auge, dass ein privates „Kollektiv“ die Produkte der volkseigenen Industrie regelmäßig „versägte“. Unter maßgeblicher direkter Mitarbeit des Ost-Berliner Ministers für den Schwermaschinenbau Fritz Selbmann wurde die ZPH zur Weiterentwicklung bei der IFA nach Zschopau gegeben. Bernhard Petruschke ging mit ihr zurück dorthin, auch weil man seine Erfahrung mit der Maschine und als Rennfahrer nutzen wollte. Daniel Zimmermann hingegen wurde mit dem Bau und der Betreuung der DDR-Rennbootmotoren „entschädigt“.

Auf der Augustusburg werden viele Exponate gezeigt zur Erläuterung des Standes der Technik in der jeweiligen Zeit. So ist es nur selbstverständlich, dass Daniel Zimmermanns innovativer Drehschieber detailliert gezeigt wird, anhand einer MZ 125er Kurbelgehäuse-Einheit:
Zimmermanns Idee war es, den an sich bekannten mit der Kurbelwelle rotierenden Drehschieber aus dem Kurbelgehäuse in eine separate Kammer zu setzen, den Schieber aus dünnem Stahlblech auszuführen und axial beweglich anzuordnen. So erhielt er ein Maschinenelement mit optimaler Dichtheit und minimaler Reibung für jedes gewünschte asymmetrische Einlass-Steuerdiagramm.
Daniel Zimmermanns Erfindung war der Grundstein zu den kommenden Erfolgen nicht nur der Zschopauer Rennzweitakter, sondern auch aller japanischen Zweitakt-Marken in den 60er Jahren und der meisten danach (z.B. Kawaskis Tandem Twins), und er wird heute noch an den seit über einem Jahrzehnt höchst erfolgreichen Aprilia-Racern eingesetzt.

IFA 125 Rennmaschine 1953
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Im Januar 1953 wurde beim IFA Motorradwerk Zschopau (der Name VEB MZ existierte noch nicht!) das „Rennkollektiv“ (also die Rennabteilung) gegründet, und Ing. Walter Kaaden wurde zu seinem Leiter berufen. Man hätte keinen besseren finden können. Kaaden, Zschopauer „Urgestein“, (sein Vater war Direktions-Chauffeur bei DKW, dann bei der Auto Union) wuchs mit den Rennfahrer-Familien der Vorkriegszeit auf, hatte mit dem späteren VW-Chef Dr. Carl Hahn einen Freund aus Sandkasten-Tagen und kannte den Rennsport der Nachkriegszeit aus eigener Erfahrung bestens, denn sein 125er Eigenbau-Racer basierte nicht auf der RT 125, sondern auf der Vorkriegs-RT 100. Seine Fahrleistungen ließen vergessen, dass er 20 % Hubraum „verschenkte“.

Im Februar 1953 kam vom Ost-Berliner Ministerium für Körperkultur der Auftrag, eine 125er Rennmaschine in 10 Exemplaren zu bauen, und zwar noch für die 53er Saison, was angesichts der Wirtschaftslage schon eine schwierige Auflage war. Zudem arbeitete die Abteilung noch lange nicht „fulltime“ für den Sport, sondern immer nur dann, wenn es die Produktionslage des Motorradwerks zuließ.

Kaaden erkannte rasch, dass es sinnlos war, 10 Kopien der ZPH auf die (sehr großen!) Räder zu stellen, denn das Motorrad war viel zu sehr auf Bernhard Petruschke zugeschnitten, als dass es eine sinnvolle Zukunft im Werkseinsatz haben könnte, und außerdem war es deutlich gezeichnet von den begrenzten Möglichkeiten einer privaten Gruppe, deren Finanzen vom Aufbau und Einsatz dieser 125er schon genug strapaziert waren.

So konzipierte Kaaden die 125er weitestgehend neu: Ein modernes Fahrwerk mit Telegabel vorn und Geradweg-Federung hinten entstand unter Benutzung von standesgemäßen 19''-Rädern. Kaaden plante bereits ein Schwingen-Fahrwerk, aber es fehlte noch die Zeit, es zu realisieren. 150er Naben vorn und hinten sowie ein 15 l-Tank vervollständigten das Rennfahrwerk. Damit wurden erstaunliche 12,5 PS bei 8000 1/min erreicht, und Kaaden untertrieb sicherlich sogar, als er meinte, dass eine solche Leistung, nämlich 100 PS/l, nur zwei Jahre zuvor für einen nicht aufgeladenen Rennzweitakter für unmöglich gehalten wurde. Das waren immerhin bereits zwei PS mehr, als Zimmermann mit seiner ZPH realisieren konnte, der aber bereits das gleiche Drehzahlniveau beherrschte.
Beim Motor wählte Kaaden 54 mm für Hub und Bohrung und setzte damit einen heute noch gültigen Standard für die 125er Zylinder-Einheit. Im Gegensatz zur ZPH, bei der ein separates Kurbelgehäuse in den RT-Torso eingesetzt wurde, modifizierte Kaaden das Seriengehäuse durch Schweißung, übernahm von der ZPH den Doppelport-Auspuff auf der Zylinder-Rückseite (noch mit Megaphonen), und musste mangels Zeit noch mit dem Dreigang-Getriebe der RT weitermachen, natürlich mit geänderten Übersetzungsverhältnissen.
Die IFA lieferte bereits den auf dem Vorkriegs-DKW-Stationärmotor-Magneten (die DKW-Motorräder hatten durchweg Rotations-Magnetzünder) basierenden Rennmagnetzünder, und außerdem gab es aus IFA-Produktion bereits den BVF-Flachschieber-Rennvergaser, oft „Alno“ nach seinem Konstrukteur Alexander Novikof genannt.
Es wurden zu Saisonbeginn nur drei IFA 125er Racer fertig, die das Werk offiziell an den Start brachte. Und da Petruschke die ZPH weiter einsetzte, die anfangs sogar noch von Zimmermann betreut wurde, führten die unvermeidlichen Kinderkrankheiten der IFA erstens zu einer gewissen Rivalität Zschopau/Potsdam-Kleinmachnow, und zweitens zur erneuten 125er Meisterschaft von Petruschke, die man in Zschopau schmerzhaft zur Kenntnis nehmen musste. Allerdings wurde die ZPH nun als IFA in den Rennprogrammen geführt, so dass die gewonnene Meisterschaft von den Zschopauern beworben werden konnte.
Leistungsmäßig war die IFA 125 in der Mitte der 53er Saison schon an den Production-MVs dran, und das war so ziemlich das beste, was ein Privatfahrer damals kaufen konnte. Die Viertakt--Werksmaschinen, besonders die von NSU, waren aber noch um viele Pferde vorn. Das sollte sich auch bald ändern, aber NSU war zu dem Zeitpunkt leider schon von der 125er-Bildfläche verschwunden.
Aufgrund der Material- und Entwicklungsprobleme wurden die sieben für die Betriebssportgruppen in der DDR vorgesehenen Maschinen mit arger Verspätung ausgeliefert, aber sie bildeten noch lange das Rückgrat des privaten 125er-Rennsports in der DDR.
Jahrzehntelang wurde gerade diese erste IFA 125er Rennmaschine in der Augustusburg-Ausstellung nicht gezeigt. Seit einigen Jahren hat sie aber endlich den ihr zustehenden Platz im Museum gefunden.
Schließlich handelt es sich um das erste Exemplar einer langen Entwicklungsreihe von Drehschieber-125ern, die zuerst in Japan als Vorbild für die erfolgreiche Rennmotoren-Entwicklung dienten. Doch es gab gleichzeitig auch „Abkömmlinge“, z.B. in Italien bei Parilla, Mondial, MV Agusta, Guazzoni, und später natürlich bei Morbidelli und Minarelli etc, und im deutschen Sprachraum folgten z.B. ROTAX, MAICO und Kreidler dem Zschopauer Vorbild.

MZ RE 125 „AVUS“ 1956
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Die 125er IFA blieb 1954 fast unverändert, denn das Rennkollektiv musste fünf weitere Motorräder liefern, und außerdem wurden bereits die ersten zwei 250er Twins vorbereitet für den ersten Start am Sachsenring, die die ganzen Ressourcen des Teams für die Weiterentwicklung der Rennmotorräder gebunden hatten. So musste sich die 125er mit einer Halbverkleidung als wesentlicher Modifikation begnügen. Einige Motoren wurden im Laufe der Saison mit einem Viergang-Getriebe ausgestattet, das das hoffnungslos anachronistische Dreiganggetriebe ablöste.

Allerdings war natürlich längst klar, dass man mit einem durch Schweißung modifizierten Serien-Kurbelgehäuse nicht weitermachen konnte, und so war ein echter Rennmotor bereits in Entwicklung, der aber 1954 natürlich nicht mehr zum Einsatz kam. Erstaunlicherweise wurde das Getriebe anfangs wieder nur für vier Stufen konzipiert, wo doch die Viertakt-Weltspitze längst mit 6-Gang-Getrieben operierte. Trotzdem war die Leistungsfähigkeit der 125er bereits soweit, dass erstmals ein Rennen in Westdeutschland gewonnen werden konnte, und zwar am Feldberg, allerdings in Abwesenheit der dominierenden Rennföxe. Laut Walter Kaaden wartet der Sieger Horst Fügner noch heute auf das dort ausgeschriebene Preisgeld. Die 125er Meisterschaft der DDR ging aber erneut an „Petrus“ Petruschke.

1955 bekam die 125er IFA endlich ein modernes Vollschwingen-Fahrwerk und den neuen Rennmotor. Alle Entwickler von Zweitaktrennmotoren jener historischen Epoche versuchten, mit Hilfe der Auspuff-Geometrie Leistung zu finden. Walter Kaaden hatte in dem Leistritz-Ingenieur Wilhelm Hülsse einen kompetenten Diskussionspartner, und nach den Gesprächen mit ihm entwickelte er die entscheidenden Ideen, wie die an sich bekanten Ladungswechsel-Schwingungen in Leistungszuwachs umgesetzt werden konnten. Allerdings wurden in der Saison 1955 fast ausschließlich immer noch zwei Megaphone in den Rennen eingesetzt, denn noch verkrafteten die Materialen von Kolben und Kolbenring den durch Ladungswechsel-Abstimmung möglichen Drehmomentzuwachs nicht. Andererseits setzten die Lager von Kurbelwelle, Hubzapfen und Kolbenbolzen ebenfalls Grenzen bezüglich der grundsätzlich erwünschten Nenn-Drehzahlsteigerung.

Beim deutschen GP am Nürburgring gelang es den IFA-Leuten erstmals, mit dem 5. und 6. Platz durch Bernhard Petruschke und Erhard Krumpholz hinter vier MVs WM-Punkte zu erzielen.
Im Winter 1955/56 wurde dann das notwendige Sechsgang-Getriebe entwickelt, das sich aber anfangs als empfindlich erwies, so dass oft mangels funktionsfähiger Sechsgang-Getriebe der alte Viergang-Motor aus dem Vorjahr eingesetzt werden musste. Durch emsige Entwicklung vieler Details war es endlich gelungen, den ersten wesentlichen Leistungsschritt auf 16 PS bei 9000 1/min durchzuführen, aber noch war dieses Leistungsniveau labil, und oft genug gab es Probleme mit der nun endlich einsetzbaren Einport-Auspuffanlage, z.B. dass sich eine am Prüfstand als sinnvoll erwiesene Geometrie nicht in ein ähnlich gut funktionierendes Rohr am Motorrad übertragen ließ.

Die MZ Renngeschichte wird auf der Augustusburg mit wunderbaren Fotos ergänzt.
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Bei den Rennen in der DDR waren die
vollverkleideten RE 125 ab 1956
nur noch selten zu schlagen.

Die rissempfindlichen Aluminium-Verkleidungen
mussten manchmal „geflickt“ werden, wie die
hier an der 143 von Walter Brehme.

Die italienischen 125er Viertakter waren immer noch leistungsmäßig deutlich vorn, aber die mittlerweile MZ umgetauften 125er konnten in vielen Rennen außerhalb der WM nicht nur gut aussehen, sondern auch gewinnen. Allerdings war bereits 1955 ein leicht überlegener Zweitakt-Konkurrent aufgetaucht, und zwar aus Ingolstadt!


So machte sich das Zschopauer Team keine großen Hoffungen auf einen Erfolg auf der superschnellen Berliner AVUS, aber man wollte das Rennen zum Experimentieren nutzen.
Kaaden dachte sich ein alternatives Konzept aus: Der leichteste und kleinste Fahrer des Teams sollte auf eine aerodynamisch optimierte 125er gesetzt werden, um so den Leistungsrückstand mindestens teilweise zu kompensieren. So wurde eine RE 125 versuchsweise auf 16''-Räder gestellt und mit einer Heckverkleidung ausgestattet. Die das Vorderrad umfassende Vollverkleidung war bereits im Vorjahr erstmals eingesetzt worden, aber auch sie wurde 1956 optimiert.
Das 56er AVUS-Rennen sah dann allerdings nicht die favorisierten DKWs als Sieger, denn Luigi Taveri und seine dohc-Werks-MV Agusta zeigte ihnen das 4Takt-Auspuffrohr und dokumentierte damit eindruckvoll, wo der Leistungsstand der Weltspitze zu suchen war. Hinter den beiden DKWs kam Horst Fügner auf einer standardmäßig ausgestatteten MZ immerhin als Vierter ins Ziel. Erhard Krumpholz auf dem speziellen AVUS-Modell konnte das Potential des Experiments jedoch nicht zeigen, denn er fiel früh mit einem Defekt aus, der die Zschopauer bald darauf noch oft nerven sollte: Der Unterbrecherkontakt war dem Drehzahlniveau nicht lange gewachsen.
Ausgerechnet dieses AVUS-Modell hat als vermutlich einzige MZ RE 125 aus der Epoche der Vollverkleidungen überlebt und befindet sich seit vielen Jahrzehnten in der Augustusburger Dauer-Ausstellung. Wahrscheinlich war diese Maschine so sehr auf den einen Einsatz zugeschnitten, dass man sie nirgendwo sonst einsetzen konnte. Daher wurde sie wohl nicht an einen Club-Fahrer abgegeben oder für die Exportförderung ins Ausland verkauft.

MZ RE 125 1960
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1957 war das Leistungsniveau der MZ RE 125 endlich soweit, dass man sich an den Kampf mit der Weltspitze wagen konnte. Bei den WM-Läufen traten die Italiener zwar mit großen Kontingenten an, so dass WM-Punkte noch nicht so richtig in Reichweite waren. Es gab aber schöne Platzierungen bei internationalen Rennen wie zum Beispiel beim Österreich GP in Salzburg, wo nur Carlo Ubbiali auf der Werks-MV in der Lage war, Fügner und Degner zu schlagen. Beim WM-Lauf in Hockenheim liefen die beidem MZ-Spitzenfahrer immerhin auf Platz vier und sechs auf Punkterängen ins Ziel. Vom möglichen 125er WM-Titel war man aber nach wie vor weit entfernt, denn es tobte weiter der Kampf der italienischen Marken, die natürlich auch die besten Fahrer verpflichtet hatten. Daher konnten die MZ-Fahrer 1957 keine weiteren 125er WM-Punkte erzielen.

Vom gemeinsamen Sport-Verzicht der Italiener (Mondial, Guzzi, Gilera) am Ende der Saison 1957 hatte man in Zschopau nicht profitieren können, denn MV machte weiter, und mit der Desmo-Ducati war ein neuer Wettbewerber auf der Piste erschienen, dem man (noch) nicht das Wasser reichen konnte. Bei den 250ern war es ganz ähnlich. Zwar verschwand wie bei den 125ern der Titelträger Mondial von der Bildfläche, doch analog zur Ducati kam nun Morini hinzu und verstärkte die italienische Phalanx.

In der 125er Klasse konnte mit Ernst Degner erstmals ein MZ-Fahrer bei einem GP auf's Podium klettern, und zwar beim deutschen GP am Nürburgring, und hinter ihm konnten mit Horst Fügner, Walter Brehme und Werner Musiol drei weitere MZ-Fahrer die restlichen Punkteränge belegen. Die vier MZs wurden nur von den MVs von Provini und Ubbiali geschlagen. In der Endabrechnung des Jahres 1958 wurde Degner siebter und Fügner noch neunter.

In Zschopau arbeitete man fieberhaft an der thermischen Stabilität des Motors und an den anderen noch verbliebenen z. T. prinzipbedingten Problemen. Man legte den Magnetzünder ad acta und akzeptierte dem internationalen Trend folgend den Wartungsaufwand der Batteriezündung sowie die Empfindlichkeit der Batterie gegen Schwingungen.

Beim erreichten Drehzahlniveau war das Bronzebuchsen-Kolbenbolzenlager endgültig am Ende und wurde durch ein Nadellager ersetzt, sogar mit positivem Effekt auf die Spitzenleistung. Mit viel Aufwand wurde ein Pleuellager erprobt, das bei der weiterhin notwendigen Drehzahlsteigerung genügend Standfestigkeit aufwies. 1959 kam dann der ganz große Schritt nach vorn mit der Einführung des dritten Spülkanals durch das Kolbenfenster, der die thermische Stabilität des Kolbens und des Kolbenbolzenlagers entscheidend verbesserte, und der es erlaubte, die Spülung bei angehobener Drehzahl neu auszulegen. Mit dem Leistungsniveau von ca. 22 PS bei ca. 10500 1/min war man im Laufe der Saison 1959 endlich gut für Siege in WM-Läufen. Allerdings holte Horst Fügner beim GP Schweden 1958 den ersten WM-Lauf-Sieg für die Zschopauer auf der 250er.

Dazu gehörte jedoch eine Menge Pech der Zschopauer in der 125er Klasse. So verpasste die RE 125 nur ganz knapp die Sensation bei der Ultralightweight-TT, als Luigi Taveri, der erste internationale Spitzenfahrer, den man verpflichten konnte, rundenlang das Rennen dominierte, nachdem er schon Trainingsbestzeit gefahren hatte. Er verlor dann seinen komfortablen Vorsprung auf die MV von Provini in der letzten Runde, als sein nagelneuer, noch nicht einmal in den für Luigi typischen Schweizer Farben lackierter Cromwell-Helm, den er wohl eine Nummer zu klein gewählt hatte, seine Konzentration störte. Degner musste an dritter Stelle liegend ebenfalls in der letzten Runde aufgeben wegen einer gebrochenen Feder in der Vorderrad-Bremse. Dadurch verpasste MZ den 125er Team-Preis, der nur aufgrund dieser Missgeschicke an die erstmals bei einem WM-Lauf antretende Mannschaft von Honda ging.
Zu dem Zeitpunkt ahnte noch keiner, dass das nur das erste Anzeichen eines kommenden gewaltigen Ansturms japanischer Marken auf die diversen Klassen der Motorrad-WM bedeutete. Etwas klarer wurde das bereits am Ende des Jahres, als Honda die 250er Vierzylinder für das Jahr 1960 ankündigte.

In Assen dominierte Degner die ersten acht Runden des Rennens, um dann mit einem Kerzendefekt auszuscheiden. In Schweden konnte mit Werner Musiol auf Rang drei endlich wieder einmal ein Podestplatz erreicht werden, und der seit dem schwedischen GP MZ fahrende Gary Hocking wurde in Ulster nur durch Zündaussetzer in der letzten Runde um den verdienten Sieg gebracht. Degner hatte schon wieder ein Bremsfeder-Problem, aber dieses Mal im Hinterrad. Trotzdem fuhr er auf Rang drei, und damit waren erstmals zwei MZ-Fahrer auf dem Podium.
Den Durchbruch brachte dann ausgerechnet der Gran Premio in Monza, wo es in der Höhle der italienischen 125er- Löwen, die hier diese Klasse seit 1953 (als Haas auf der Rennfox gewann) nicht mehr verloren hatten, zu einem gigantischen Kampf kam. Dabei wechselte die Führung zwischen den MZs von Degner und Derek Minter
sowie den MVs von Ubbiali, Provini und Hocking (den MV so fürchtete, dass sie ihn von MZ „wegverpflichteten“!) sowie der Desmo-Ducati von Luigi Taveri (auch er fuhr also die Saison nicht für die Zschopauer zuende!) von Runde zu Runde. In der letzten Runde führte Degner die Gruppe aus der Parabolica heraus, und es gelang Ubbiali nicht, ihn aus dem Windschatten heraus zu überholen, was das erreichte Leistungsniveau der RE 125 (und das beim Rennende unter heißen klimatischen Bedingungen!) bestens charakterisiert.

Die technische Detailarbeit ging zwischenzeitlich weiter, z.B. mit der Einführung des Doppelunterbrechers, um von den Zündungsstörungen durch Resonanzschwingungen der Unterbrecherfeder wegzukommen. Die noch ovale Auspuffbirne, für die ein sinnvoller Platz zwischen den Rohren der Rahmen-Doppelschleife und dem Fahrerbein gefunden werden musste, wurde besonders auf gutes Drehmoment-Band gezüchtet. Der „ALNO“-Vergaser hatte bereits Ende 1958 dem BVF-Serien-Flachschieber-Vergaser (natürlich mit einigen speziellen Details für den großen Kraftstoffdurchsatz der Rennmotoren) Platz gemacht, und man arbeitete emsig an leichten, aber rissunempfindlichen GFK-Verkleidungen. Beim Fahrwerk gab es nur die Anpassung der Bremsen an die gestiegenen Fahrleistungen, und die Kurzschwinge vorn hatte bereits 1956 in Halle debütiert.

So präsentierte sich die RE 125 in der Saison 1960 bereit für den Kampf um den WM-Titel, zumal seit dem Vorjahr auch internationale Spitzenfahrer bereit waren, mit den Zschopauer Maschinen um Preisgeld und um Titel zu kämpfen. Es sei hier nur Mike Hailwood genannt (Debut auf MZ bereits in Monza 1959) und Gary Hocking (Debut in Schweden 1959), der aufgrund seiner Fahrstärke so gefährlich für MV wurde, dass man ihn einfach mit einem entsprechenden Scheck aus Zschopau nach Gallarate lockte. Die frühen Einsatze von kommenden Spitzefahrern wie z.B. Derek Minter und Tommy Robb 1959 zeigen auch das weitere Talent Walter Kaadens, die überdurchschnittliche Begabung von Nachwuchsfahrern frühzeitig zu erkennen.

Über den Winter gelang es mit viel Detailarbeit, einige Motoren auf 24 PS bei 11000 1/min zu bringen. Man kratzte damit an den historischen 200 PS/l. Es musste aber darauf geachtet werden, die Motoren nicht zu „spitz“ zu machen, und keiner wusste besser als Kaaden, dass die Rennen und die Titel nicht auf dem Prüfstand gewonnen werden. Schließlich hatte er wiederholt festgestellt, dass die stärksten Prüfstandsmotoren keineswegs stets zu besten Rundenzeiten geführt hatten. Außerdem muss der Motor das Fahrzeug und den Fahrer auch ins Ziel bringen, und daher verzichtete Kaaden oft darauf, leistungsfördernde Modifikationen frühzeitig im Rennen einzusetzen, solange sich ihre Zuverlässigkeit noch nicht erwiesen hatte.

Die Saison begann mit einem Trainingssturz von Degner bei der TT, und da er sich dabei den linken Fuß brach, war das Ziel, den Titel zu holen, bereits gefährdet. In Assen war er zwar wieder am Start, aber es reichte nur zu einem fünften Platz. Immerhin konnte Kaaden den amtierenden 125er Vizeweltmeister Alberto Gandossi zu MZ holen, und der begann gleich auf dem Podium mit einem dritten Platz. In Spa lief Degner wieder zu seiner gewohnten Form auf und siegte überlegen. Der zweite Platz einer weiteren RE 125 unter John Hempleman führte zum ersten MZ-Doppelsieg. Dafür kamen die beiden in Ulster nicht vom Start weg, doch Gandossi führte das Rennen lange an, bis er zu Boden musste. Als Degner das Rennen auf Platz drei beendete, waren seine und MZs Titelträume geplatzt. Da er auch seinen Monza-Erfolg des Vorjahres nicht wiederholen konnte, schloss er das Jahr mit dem dritten Paltz in der WM-Tabelle ab.

Das Augustusburg-Museum präsentiert mit der 1960er RE 125 das Zschopauer Motorrad, das als erstes eine echte Titelchance hatte und aufgrund seiner Konkurrenzfähigkeit ein wichtiger Meilenstein der Zschopauer Nachkriegs-Renngeschichte ist.

MZ RE 125 1961
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1960 waren auf den ersten sechs Positionen der 125er WM-Tabelle nur vier MVs unter Ubbiali, Hocking, Spaggiari und Taveri, sowie die zwei RE 125 unter Degner und Hempleman. Nur auf Rang sieben zeigte sich der neue Gegner aus Japan, der 125er Honda Viertakt-Twin unter Jim Redman, und anschließend platzierten sich zwei weitere Fahrer auf dem einzigen konkurrenzfähigen Zweitakter im Feld, der RE 125, mit Alberto Gandossi und Bob Anderson.

In Japan wurde aber mindestens so emsig gearbeitet wie im Erzgebirge, und so überraschten die Meldungen über weitere Fahrerverpflichtungen (z.B. Luigi Taveri, ab der TT auch Mike Hailwood) die Fachwelt. Andererseits war aber mit der 125er MV ein alter hartnäckiger Gegner von der Szene verschwunden, denn Carlo Ubbiali hatte nach neun Titeln seine Karriere beendet, und Gary Hocking konzentrierte sich nach John Surtees' Wechsel zum Automobil-Sport auf den Einsatz der MV- Vierzylinder und auf sporadische Rennen mit dem 250er MV-Twin.

Bei MZ entsteht ein neuer Rahmen für die 125er nach dem Vorbild der 250er, bei der dieses Konstruktionsprinzip schon früher angewendet werden musste, da bei ihr schließlich zwei Auspuffbirnen unterzubringen sind: Die Doppelschleifen-Unterzüge werden beibehalten, aber vom Lenkkopfrohr zur Schwingenlagerung wird ein gebogenes Zentralrohr eingesetzt. Damit konnte nun eine optimale Auspuffbirnen-Geometrie eingesetzt werden, ohne die Sitzposition des Fahrers zu beeinträchtigen.

Beim Fahrwerk wurde nun auch auf die nach dem Vorbild der bei den 250ern verwendeten „Roadholder“-Gabel entwickelte Telegabel umgestellt, die in der späten Saison 1960 erstmals erprobt wurde. Die große Anzahl der eingesetzten REs machte es jedoch notwendig, dass immer wieder einmal auf die alte Kurzschwinge zurückgegriffen wurde.

Der Motor hatte nun den Weltrekord von 200 PS/l geknackt, aber vielleicht waren die zu dem Zeitpunkt in Kornwestheim bei Kreidler auch schon erreicht, wo man sich auf die erstmals ausgetragene 50er EM vorbereitete. Die weiter gestiegene Leistung des MZ-Motors ließ auch die bei einem derartigen Hochleistungs-Zweitakt-Motor sowieso vorhandenen thermischen Probleme verschärft auftreten. Um das Problem der ungenügenden Kühlung der Auslasszone des Zylinders beim Auslassschlitz auf der Rückseite zu lösen, experimentierte MZ zu genau dem Zeitpunkt, als man endlich die Auspuffbirne optimal anordnen konnte, mit dem Auslassschlitz an der Vorderseite des Zylinders. Während der 61er Saison wurden beide Versionen eingesetzt, aber Kaaden war längst klar, dass es für die Lösung der thermischen Probleme nur eine radikale Konstruktion gab: Wasserkühlung.
Nur reichte die Zeit in der Saison 61 nicht, wassergekühlte Motoren parallel zu den luftgekühlten vorzubereiten, die den Titel holen sollten. So wurde ein letztes Mal der Rippendurchmesser des Zylinders vergrößert, und bei einigen Motoren war der Alu-Teil des Zylinders kein Sandguss-Teil, sondern ein Drehteil aus einer Aluminium-Knetlegierung.

Überraschenderweise wurde die Zündung wieder auf einen Standmagneten umgestellt, der das Prinzip der zwei Unterbrecherkontakte übernahm. Als sie eingeführt wurden, wanderte das ursprünglich auf dem linken Gehäusedeckel sitzende Unterbrechergehäuse nach rechts auf den Drehschieberdeckel, in dem die 1:2-Untersetzung untergebracht wurde. Seinen Platz nahm dort nun der neue IKA-Magnet ein.

Kaaden wollte Degner einen internationalen Spitzenmann zur Unterstützung beiseite stellen, und er warb heftig um Mike Hailwood, der auch zum Training vor der Saison nach Staaken kam.
Hailwood hatte aber dank der Brieftasche seines Vaters (Stan „the wallet“) in jeder Klasse ein konkurrenzfähiges Motorrad, und dann kamen noch die 125er und 250er Honda dazu, so dass er Kaaden einen Korb gab. Der konnte schließlich mit Alan Shepherd einen Fahrer verpflichten, dessen fahrerische Fähigkeiten er sehr hoch einschätzte. Schließlich war klar, dass Honda den alten Trick der Italiener wiederholen würde, nämlich mit einer wahren „Armada“ von Werksmaschinen anzutreten.
Dann würde nämlich im Notfall das Prinzip „Einer kam durch“ greifen, und wenn andere Fahrer dieser Marke auch noch ins Ziel kämen, nähmen sie den Wettbewerben wichtige Punkte weg!

Die Saison begann gut für Degner mit einem zweiten Platz in Barcelona und einem überlegenen Sieg in Hockenheim, wo der Barcelona-Sieger Tom Phillis auf dem Honda-Twin nicht punkten konnte. Shepherds zweiter Platz in Hockenheim zeigt, wie gut die MZs sich mittlerweile in der 125er Klasse an der Spitze etabliert hatten. In Frankreich schlägt Phillis aber Degner erneut, wenn auch äußerst knapp, und da MZ auf der Isle of Man massive Probleme mit der Vergaserbedüsung hat, kann Degner froh sein, dass Mike „the bike“ die Ultralightweight gewinnt und nicht Phillis, der auf Rang drei ins Ziel kommt.

In Assen kommt es „ganz dicke“ für das MZ-Team, denn Degner stürzt im 250er Rennen, verletzt sich am Arm und kann bei den 125ern nicht starten. Hilflos muss er beobachten, wie sein schärfster Konkurrent Tom Phillis die Dutch TT bei den 125ern gewinnt. In Spa muss Degner nur eine Woche nach Assen wieder antreten, will er seine Titelchance wahren, doch er kommt über Rang vier nicht hinaus. Phillis punktet erneut gut mit dem zweiten Platz hinter dem Honda-Teamgefährten Luigi Taveri.

Beim Heim-GP in Hohenstein-Ernsttal, dem allerersten WM-Lauf in der DDR, läuft Ernst Degner und seine RE 125 wieder zur Hochform auf, und er gewinnt problemlos.
Das heimische Publikum feiert seinen neuen Helden, denn allen Fans ist klar, dass der Titel zum Greifen nah ist, wenn Degner und seine RE 125 diese Form konservieren können. In Ost-Berlin hoffen die Technokraten, dass mit dem WM-Titel ein erneutes Zeichen gesetzt wird, dass kollektiv erarbeitete sozialistische Technik der angeblich individuell entwickelten Technik der kapitalistischen Firmen überlegen sei. Immerhin liegt der Sputnik-Schock erst kurze Zeit zurück.
Doch Phillis läuft am Sachsenring erneut auf dem zweiten Platz ein, was seine Titelchancen aufrecht hält. In Ulster kann Degner die Honda von Takahashi nicht schlagen, aber der spielt keine Rolle im Titelkampf. Dumm nur, dass Phillis sich wieder direkt hinter Degner platziert. Die bisher besten sechs Resultate der 61er Saison ergeben nun für Phillis 40 und für Degner 37 Punkte. Seine Chancen sind also weiterhin intakt. In Monza wiederholt er seinen Triumph von 1959, und endlich schwächelt Phillis, dem seine Honda-Teamkollegen wichtige Punkte wegnehmen. Nun hat Degner 42 Punkte auf seinem Konto, Phillis kann zu den schon vorhandenen 40 keine Zähler hinzufügen. Der Titel scheint im Sack zu sein, die Zschopauer müssen ihn nur noch zubinden.

Dann baut Honecker als verantwortlicher Organisator die Berliner Mauer, und Degner nutzt den Aufenthalt beim GP Schweden, wo er die RE absichtlich zerstört, zur Flucht aus der nun eingemauerten DDR. Dort wartet ein Empfangskomitee auf die Fähre aus Schweden, um den frisch gebackenen Weltmeister zu empfangen, doch der hatte den Titel noch nicht, und er war längst mit Suzuki liiert. Die DDR-Sportbehörden lassen sofort seine Lizenz sperren, so dass er keine Chance hat, den Fahrer-Titel beim letzten GP des Jahres vielleicht doch noch auf einem anderen Fabrikat zu holen.
Für den Motorsport der DDR beginnt an diesem Tag eine Art „Eiszeit“ nach Degners Flucht. Er wurde zur Unperson, er wurde einfach nicht mehr erwähnt. Seine Name war jahrzehntelang tabu. Als Phillis den letzten GP in Argentinien gewinnt und damit den Titel nach Japan holt, wurde das natürlich in den DDR-Medien erwähnt. Dass er ihn in hartem Kampf gegen Degner und gegen die RE 125 des VEB MZ errang, wurde eisern verschwiegen. Dabei befand sich die 125er Entwicklung in Zschopau auf ihrem Zenit. Nie wieder sollte der WM-Titel in greifbare Nähe kommen. Degners Knowhow vieler Details des RE-Motors befruchtete Suzukis Arbeit an Zweitaktrennmotoren immens, und binnen Jahresfrist wurde Degner auf Suzuki Weltmeister, wenn auch nicht in der von ihm gewünschten 125er Klasse. Suzukis Sieg bei der 50er WM 1962 wurde in den DDR-Medien vermeldet, nicht jedoch, wer sie steuerte.

An dieser Stelle soll Degners Handeln nicht vollständig beurteilt werden, aber fest steht, dass er Viele in der Zschopauer Rennabteilung um die Früchte ihrer harten Arbeit betrogen hat. Wenn Kaaden und zuvor Petruschke ihn nicht fast bedingungslos gefördert hätten, wäre Ernst Degner vermutlich Schlosser in Potsdam geblieben.

So war es für DDR-Verhältnisse überhaupt nicht verwunderlich, dass ausgerechnet die wunderschöne RE 125 von 1961 bis 1989 nie auf der Augustusburg gezeigt wurde, und den Namen Degner konnte man natürlich dort auch nirgendwo auf den Fotos finden. Die wurden sorgfältig so ausgewählt, dass Degner darauf einfach nicht vorkam. Der wunderbare Film, der Degners Triumph-Fahrt auf dem Sachsenring dokumentierte, verschimmelte selbstverständlich unter Verschluss in den Archiven.

Nach der Wende hat man sich dann endlich auf der Augustusburg an den greifbar nahen WM-Titel 1961 erinnert, eine traumhaft originale Maschine hergerichtet und in die Dauerausstellung gestellt.

So bleibt an dieser Stelle nur noch eine Frage offen:
Degner spazierte am Trainings-Freitag in Assen 1961 schnurstracks in's Honda-Camp, und Bernhard Petruschke, der mittlerweile in die Organisation des Zschopauer Rennteams gewechselt war, soll vor Wut geschäumt haben.

Nach Degners Flucht und seinem Verrat des Zweitakt-Knowhows an Suzuki kam dann der Verdacht auf, dass er auch noch von Honda finanziert wurde, die ja schließlich Millionen in die Entwicklung der Rennmotorräder gesteckt hatten, und die nun eventuell mit ihren hochentwickelten Viertakt-Rennmotoren zu spät kamen in der 125er und 250er Klasse, da der Zweitakter nun reif war, das Zepter im Motorradrennsprt zu übernehmen?

Ob die Frage jemals noch beantwortet werden kann, ob Degner von Suzuki und von Honda bei seiner Flucht gesponsort wurde?
MZ RE 125 Dreizylinder
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Nach dem Mauerbau in Berlin beginnt die politische Eiszeit im Ost-West-Verhältnis, unter der auch der Sport zu leiden hat, und damit auch das MZ-Team, denn nun bekommen die DDR-Fahrer und –Mechaniker kein Einreise-Visum in die NATO-Staaten mehr. Damit ist an einen Titelgewinn nicht mehr zu denken. So muss z.B. Alan Shepherd seine MZs oft selbst betreuen. Im Frühjahr 1962 hatte Kaaden gehofft, Luigi Taveri zurück zu MZ zu holen, und Taveri fuhr die MZ auch tatsächlich in Salzburg beim Saisonstart, doch beim ersten GP in Barcelona offerierte ihm Honda die Verlängerung des Vorjahresvertrages, und dem konnte MZ natürlich nichts entgegensetzen. So wurde 1962 das Jahr des sympathischen Schweizers auf der 125er Honda, und endlich gewann er den lang ersehnten WM-Titel.

MZ hatte die thermischen Probleme des schnellsten Motors seiner Klasse endlich radikal mit der Wasserkühlung bekämpft. Anfangs wurde eine teilwassergekühlte Version eingesetzt, da man die zu lösenden Probleme allein in der thermischen Zylinderverformung vermutete. Ein weiteres Problem war aber die extreme thermische Belastung der Zündkerze, die bei hoher Zylinderkopftemperatur in ihrer Wärmeabfuhr behindert wurde, so dass der Wärmewert instabil wurde und nicht mehr ausreichte, um thermische Entflammungen zu verhindern. Wenn dieses Phänomen auftritt, führt es meistens zum Motortotalschaden innerhalb von wenigen Augenblicken. Da half nur die Vollwasserkühlung, die es in Zschopau zuerst beim Twin und dann auch beim Einzylinder gab.

Trotzdem war das Ergebnis am Jahresende, gemessen am Vizetitel des Vorjahres, natürlich enttäuschend mit Hans Fischer auf Rang 7 mit ganzen sieben Punkten, errungen bei zwei GPs in der DDR und in Finnland. Alle anderen GPs waren für ihn nicht erreichbar. Alan Shepherd stand immerhin in Finnland als Dritter auf dem Podium, aber das waren die einzigen Punkte, die er 1962 bei den 125ern holen konnte. Immerhin konnte sich ausgerechnet Mike Hailwood auf einer Kopie der RE 125, die sogar mit etlichen Original-Teilen aus Zschopau ausgerüstet war, oft erstaunlich gut platzieren und nach seinem dritten Platz auf der Solitude sogar mit 12 Punkten auf Rang fünf in der Jahresendabrechnung etablieren. Das EMC genannte Motorrad von „Dr.“ Jo Ehrlich hatte aufgrund zeitweilig großzügiger Finanzierung den Schritt zur Wasserkühlung sogar vor den Zschopauern vollzogen. Alle anderen großspurig herausposaunten technischen EMC-„Wunderlösungen“ entpuppten sich hingegen als Flop oder als „Ente“. Walter Kaaden habe ich stets nur als echten Gentleman erlebt, aber bezüglich „Dr. Jo“ Ehrlich ließ er sich zu dem launigen Kommentar hinreißen: „Ach, der Mann heißt doch nur so!“

Erneut ein Foto aus der Augustusburger Ausstellung
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Hier sehen wir die MZ-Mannschaft am Sachsenring 1964:

143: vorn als Reservemaschine die Vorjahrsmaschine, hinten die aktuelle Achtgang-Werksmaschine mit Klaus Enderlein im Sattel
159: Klaus Pellert, ein Nachwuchs-Clubfahrer
150: Dieter Krumpholz auf der Achtgang-Werksmaschine
145: Günther Stüber, ebenfalls ein Clubfahrer, auf einer alten RE noch mit Kurzschwinge

Das Foto belegt deutlich, dass sich die Rennabteilung natürlich nicht nur um die aktuellen Werksmotorräder zu kümmern hatte, sondern auch den vielen Clubfahrern mit Rat und Tat unter die Arme griff, denn anders hätten die die REs gar nicht rennfähig halten können.

Suzuki hatte mit Degners Kenntnis des RE-Vorbildes natürlich zuerst einen 125er Einzylinder und einen 250er Twin gebaut, doch sehr rasch legte man mit einem 125er Twin nach, der dann 1963 die Hondas überraschte und in den Händen von Hugh Anderson die 63er Saison dominierte. Degner konnte damit immerhin einmal und das ausgerechnet in Hockenheim gewinnen, stand aber sonst im Schatten seiner Teamkollegen Anderson, Perris und Schneider und beendete das Jahr in der 125er Klasse auf Rang sechs.
MZ hatte sich über den Winter auf Detailarbeit konzentriert, denn längst war die politische Stimmung im Ostblock gegen den Motorsport und pro Olympia-Sportarten umgeschlagen, und da machte die DDR keine Ausnahme. So begannen die offiziellen Stellen, das Sport-Budget der Zschopauer systematisch auszudünnen. Kaaden sagte mir viel später dazu: „Es war nun einmal viel billiger, für Roland Matthes (den erfolgreichen Schwimmer) eine Badehose und ein paar Steaks zu kaufen als Dunlop-Reifen und Mahle-Kolben für uns!“ So stand Alan Shepherd immerhin am Sachsenring als Zweiter hinter Anderson und vor Bert Schneider auf dem Podium, weil die MZs unter den herrschenden Umständen natürlich nur in Hohenstein optimal betreut werden konnten. Bei diesem Rennen kam Mike Duff auf Rang fünf auf einer RE 125 in's Ziel. Kaaden hatte wieder einmal ein Talent frühzeitig auf eine MZ gesetzt, und wieder verlor er einen Fahrer kurze Zeit später an ein Team, das weit bessere Gagen zahlen konnte, in diesem Fall an Yamaha. Alan Shepherd wurde am Jahresende Achter mit 11 Punkten und er hatte mit Tommy Robb auf Platz neun immerhin einen Fahrer auf den japanischen Werksmaschinen hinter sich gelassen, von denen er sieben vor sich hatte.

Spätestens als sich Mitte der Saison die Überlegenheit des Suzuki Twins abzeichnete, die dann einen „Krieg“ der japanischen Marken auslöste mit Hondas Entwicklung erst der RC 146 und dann der RC 148/49 und Yamahas V4, war in Zschopau klar, dass die Tage vorbei waren, in denen ein Einzylinder den Titel bei den 125ern holen konnte. Trotzdem entstand in Zschopau im Winter 63/64 noch einmal ein neuer Einzylinder für diese Klasse, denn die geplante Neukonzeption ließ sich nicht kurzfristig realisieren. So besaß der neue Einzylinder bereits das für den zukünftigen 125er Motor vorgesehene Achtgang-Getriebe, das dringend benötigt wurde, um angesichts der Leistungseskalation aller Wettbewerber und der zugehörigen extrem schmalen Drehmomentbänder überhaupt fahrbare Motorräder zu bekommen. Der Achtgang-Einzylinder sollte zur Nachwuchs-Förderung im Werksteam dienen, denn man wollte die Klasse nicht verlassen, bis der gänzlich neue Motor einsatzbereit wäre. Anderenfalls hätte es passieren können, dass man zwar nun ein vielleicht wieder konkurrenzfähiges Motorrad hätte, aber niemanden mehr aus den eigenen Reihen, der es wettbewerbsfähig bewegen könnte.

Der Achtgang-Einzylinder wurde in einen völlig neu gemachten Rahmen gesetzt, der 1964 noch einmal mit 19''-Rädern eingesetzt wurde. Schon ein Jahr später wurde er durch ein niedriges Fahrwerk mit 18''-Rädern abgelöst, dessen Rohrführung dem Vorbild des bereits 1964 eingesetzten 250er-Rahmens folgte. Völlig unvorhersehbar wurde die Achtgang-RE 125 so bis 1969, der letzten Saison, in der das Getriebe gefahren werden durfte, vom Werk eingesetzt, denn die Neukonstruktion, der Dreizylinder-125er, über den viele Gerüchte zwischen 1965 und 1968 im Umlauf waren, verfehlte die Konkurrenzfähigkeit auch nach langjähriger Entwicklungszeit. Wer wissen möchte, wie sich das Motorrad fuhr, kann Heinz Rosner dazu befragen, aber man möge den guten Heinz nicht zu lange damit behelligen, denn er hielt den Dreizylinder stets für unfahrbar.

Wie kam es zu diesem Flop? Zuerst muss man bei der Konstruktion beachten, dass der Dreizylinder das ungünstigste Konzept ist, wenn man mit den gewohnten Plattendrehschiebern in üblicher Ausführung arbeiten möchte. Suzuki umging dieses Problem bei den 250ern, indem man die „Square Four“ schuf, auch wenn dieser Motor im Motorradrahmen schwer sinnvoll unterzubringen war. Immerhin lernte man damals soviel, dass der nächste Anlauf mit der 500er „Square Four“ ab 1974 sehr erfolgreich wurde. Yamaha löste das Problem erfolgreich mit der V4.

Das nächste gravierende Problem bei MZ war die Zündanlage. Die Japaner hatten ihr beachtliches Drehzahlniveau u. a. dem Entwicklungsstand der japanischen Elektronik zu verdanken. Bei MZ gab's immer noch den 1961 eingeführten IKA-Standmagneten, der nun dreimal unterzubringen war, und der dann zu allem Übel auch noch dem Drehzahlzuwachs im Wege stand, den man mit dem mehrzylindrigen Motor unbedingt zu erreichen trachtete.

MZ hatte über seine britischen Piloten und über weitere Kontakte zum Mutterland des Motorradrennsports ein Projekt mit LUCAS („Prince of Darkness“) gestartet, dass sich zwar über Jahre hinzog, das aber leider zu keinem sinnvollen Ergebnis führte. Der Mangel einer zeitgemäßen Zündanlage war ein Sargnagel für den 125er Dreizylinder, aber vermutlich nicht einmal der entscheidende. Ausschlaggebend dürfte wirklich gewesen sein, dass das Projekt schlichtweg die Ressourcen des kleinen Zschopauer Teams überforderte, und dass man angesichts der Budget-Situation und des „Krieges“ der japanischen Marken nun fehlendes Geld leider nicht mehr mit Kreativität kompensieren konnte.

Jedenfalls kam der Dreizylinder nicht über einige wenige Testfahrten hinaus, die so enttäuschend verliefen, dass man ein Motorrad unmittelbar nach Einstellung des Projekts an das Augustusburg-Museum gab. Dort kann es seit 35 Jahren trotz seiner Erfolglosigkeit als wunderschönes Exponat bewundert werden.
MZ RZ 125 Tandem 1970
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Obwohl der Dreizylinder nicht zur Rennreife gebracht werden konnte, gelang es den Zschopauern, sich das notwendige Entwicklungsbudget für ein weiteres 125er Projekt genehmigen zu lassen:
Der FIM war klar geworden, dass der „Krieg“ zwischen den japanischen Marken zwar zu hochinteressantem Sport mit sehr vielen konkurrierenden Werksmaschinen geführt hatte, aber es war auch klar, dass die durch die extreme technische Entwicklung verursachten Kosten nicht auf Dauer von den Werken aufbringbar waren, so dass es nach wenigen Jahren großen Sports zu einer finanziellen Implosion kommen musste, die dann ein sportliches Vakuum verursachen würde. So beschloss die FIM, den Sport per Reglement wieder näher an die Serienentwicklung zu bringen, denn die Superrennmaschinen der letzten Jahre polierten zwar im Erfolgsfall das Image der jeweiligen Firma, aber ein Einfluss auf sinnvolle technische Entwicklungen für die Serienmotorräder konnte dadurch nicht mehr ausgeübt werden.
So kam es zuerst bei den 50ern (1969) und 125ern (1970) zu folgenden Limits: maximal sechs Getriebestufen und nur ein Zylinder bei den 50ern und maximal zwei Zylinder bei den 125ern.

Da sah man bei MZ die große Chance, doch wieder im Wettbewerb um den 125er WM-Titel dabei sein zu können. Es war allerdings klar, dass der alte Einzylinder dafür nicht mehr in Frage käme, es müsste schon ein Twin sein. So wurde in Zschopau über die in Frage kommenden Konzepte „gebrütet“, und man entschied sich für das Tandem-Konzept.
Inwieweit es sich um ein wirklich innovatives Konzept handelte, ist schwer zu beurteilen. Klar ist, dass es in dieser Form noch nicht von anderen Marken eingesetzt worden war. Andererseits gab es 1967 bereits eine (luftgekühlte) 125er Derbi, bei der ebenfalls zwei Kurbelkammern parallel angeordnet waren, wenn auch nicht mit parallelen vertikalen Zylindern. Sepp Schlögel und Anton Mang griffen dieses Konzept einige Jahre später bei ihrer SMZ wieder auf, und auch von JAWA gab es einen analogen Entwurf.
Wenn man sich allerdings das „Square Four“-Konzept als Verdoppelung des Parallel-Twins vorstellt, so ergibt sich automatisch der Tandem-Twin, wenn man ihn nun wieder zu zwei Zweizylinder-Motoren aufteilt, jetzt aber in der Längsachse.
Normalerweise spielt die Motorbreite bei einem 125er Paralleltwin noch keine wesentliche Rolle für die Stirnfläche eines Rennmotorrades incl. Fahrer, zumal die notwendige Kühlerfläche zu berücksichtigen ist. Allerdings gerät diese Betrachtung in's Wanken, wenn man zur eigentlichen Baubreite noch den zusätzlichen Platzbedarf der Drehschieber-Komponenten auf beiden Seiten addiert. Außerdem war zum Zeitpunkt der Konzeption der Tandem-125er nach dem Scheitern der Zündungsentwicklung mit LUCAS wieder nur die IKA-Magneten verfügbar, von denen also auch noch zwei Stück unterzubringen waren.
Bei einem Parallel-Twin hätten sich also wieder die Vergaser und die beiden Magneten im Wege gestanden. Vielleicht war es dieses Argument, dass die Entscheidung für den Tandem-Twin brachte, dass man bei ihm „jede Menge Platz“ auf einer Motorseite für die zwei Vergaser und auf der anderen für die zwei Magneten zur Verfügung hatte?

Das Ziel dieser Entwicklung war es, 34 PS bei ca. 14000 1/min zu erreichen, aber selten ließ sich eine brauchbare Abstimmung jenseits der 13000 1/min erreichen, zumal die Magneten bekanntlich der Drehzahlsteigerung Grenzen setzten, bevor die mechanischen Bauteile ihre Zuverlässigkeitsgrenzen erreicht hatten. Die erreichten 32 PS bei 13000 1/min sagten aber leider gar nichts über die Konkurrenzfähigkeit aus.

Die Saison begann am Nürburgring, und da es noch Probleme mit den Motoren auf dem Prüfstand gab, musste Günter Bartusch das alte Einzylinder-Modell (die 69er Werksmaschine, die auf ein 6-Gang-Kurbelgehäuse zurückgerüstet war) fahren, das er unter grauenhaften Wetterbedingungen auf Platz neun fuhr.
In Le Mans lief die Tandem-RZ ein Training, und Bartusch zog es vor, den Einzylinder erneut im Rennen einzusetzen, was eine korrekte Entscheidung war, denn er schaffte hinter Dieter Brauns Suzuki und Börje Janssons perfekt laufender Maico (eine der vielen Drehschieber-125er, die von der RE „befruchtet“ worden waren!) einen dritten Platz.
Ausgerechnet auf der Isle of Man bei der Ultralightweight-TT gelang Bartusch das erste (und gleichzeitig letzte, was aber noch niemand ahnte!) nennenswerte Ergebnis mit der RZ 125: Wie in Le Mans kam er auf Platz drei in's Ziel hinter Braun und Jansson, und das, obwohl die Charakteristik des Motors völlig ungeeignet war für den Mountain-Circuit.
In Assen trainierte Bartusch mit der RZ und war erstmals mit ihr zufrieden, denn dort schien man eine zur Motorabstimmung passende Getriebeabstufung gefunden zu haben. Wegen eines Sturzes bei den 250ern kam es aber nicht mehr zum Renneinsatz der RZ.
In Spa war dann erneut keine sinnvolle Abstimmung zu finden. Ob das zum Trainings-Sturz beitrug, bei dem sich Bartusch eine Fußverletzung zuzog, und bei dem die RZ total zerstört wurde?
Am Sachsenring verlief das Training erneut enttäuschend, und im Rennen hatte Bartusch aufgrund des Spa-Sturzes Probleme beim Anschieben. Mit hoffnungslosem Rückstand auf die Spitze hinterherfahrend wurde Gunter Bartusch dann von einem Getriebeschaden der RZ heimgesucht. Erneut war das Drehmomentband der RZ viel zu knapp für das 6-Ganggetriebe.

Man entschied sich in Zschopau für eine Rennpause, um die Probleme intensiv analysieren zu können, und um dann in Monza wieder an den Start zu gehen, wo man sich auf dem flachen Kurs Chancen ausrechnete. Jedoch enttäuschte die RZ in Monza erneut, und bezeichnenderweise fuhr Laszlo Szabo auf einer betagten RE mit ca. 28 PS bei 11500 1/min auf Platz zwei hinter dem Sieger Nieto auf dem Derbi-Drehschieber-Twin (bei dem die Baubreite keine Rolle spielte!). Der arme Günter Bartusch konnte nichts tun außer „hinterherfahren“, was zu Platz elf führte außerhalb der Punkteränge.

In Zschopau war allen Beteiligten klar, dass das Konzept einen gravierenden Fehler aufweisen musste, denn sonst hätte sich wenigstens eine etwas bessere „Performance“ erzielen lassen müssen. Heute ist es müßig zu spekulieren, was es gewesen sein könnte. Die Probleme wurden nämlich nicht gelöst, weil man die RZ erst einmal „einmottete“, um sich besser auf die aussichtsreicheren großen Twins konzentrieren zu können. Damit endete zum Saisonschluss 1970 eine ziemlich genau 20 Jahre währende Rennsport-Beteiligung der Zschopauer in der 125er Klasse in leider völlig deprimierender Weise. Nie wieder wurde eine 125er MZ-Werksmaschine an den Start geschoben, und nie wieder wurde eine offizielle 125er Renn-MZ gebaut., obwohl der bereits in den 50er Jahren konzipierte 6-Gang-RE-Motor noch viele Jahre lang im Sport eingesetzt wurde, aber natürlich nur von Privatfahrern. Bis Mitte der 70er Jahre konnten die privat weiter modifizierten RE-Motoren immer wieder einmal in der WM punkten (es gab ja mittlerweile Punkte für die ersten 15 im Ziel, das war also ungleich leichter als in der Zeit, als es noch einen einzigen Punkt für Platz sechs gab!), und bis zur „Wende“ im Winter 1989/90 bildeten Motoren auf Basis des RE 125 das Gros des privaten Rennsports in der DDR-125er Meisterschaft.

Was aus der RZ 125 hätte werden können, zeigte Kawasaki wenige Jahre später mit den KR-Modellen. Allerdings wiederholte Kawasaki anfangs einen Fehler, den auch MZ bei der RZ gemacht hatte: Die Motoren waren als „Gegenläufer“ konzipiert, und damit lassen sich zwar die Massenkräfte erster Ordnung ausgleichen, aber die Massenkräfte zweiter Ordnung und die Massenmomente bleiben natürlich unausgeglichen. Wie in Zschopau hatte man anfangs übersehen, dass sich mit einem „Gleichläufer“ ein wesentlich besserer Massenausgleich erzielen ließ. Ob das Schwingungsniveau des RZ-Motors vielleicht eine brauchbare Vergaser-Abstimmung unmöglich machte?

Abschließend bleibt nur noch zu berichten, dass das Tandem-Konzept in Zschopau längst auch für die 250er Klasse vorgesehen war, um das alte RE 250/350-Paralleltwin-Konzept abzulösen. Die Motoren waren bereits gebaut, aber das enttäuschende Ergebnis der RZ 125 mit Platz neun für Gunter Bartusch in der 125er WM der Saison 1970 führte dazu, dass man den Tandem-Twin für alle geplanten Hubräume aufgab. Denn man hielt es natürlich für sinnvoll, mit dem Material weiterzumachen, von dem man wusste, dass es funktioniert, und das war der bisherige RE-Twin.

Eine RZ 125 ging beim unglücklichen Abschluss des Projekts in's Augustusburg-Museum, und bis heute kann man sich davon überzeugen, welch wunderschön konzipiertes Motorrad sie war und immer noch ist, und mit wieviel handwerklicher Liebe sie aufgebaut wurde. Hätte sie nur ein sinnvolles Drehmomentband gehabt, sie hätte dazu führen können, dass die mit der Kawasaki KR errungenen WM-Titel einige Jahre früher nach Zschopau gegangen wären. So aber kann man nur von Zeit zu Zeit einen RZ 250 Tandem-Twin in einer Vitrine auf der Augustusburg studieren.
MZ RE 50 1962
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Bevor wir uns der bedeutenden Geschichte der MZ RE-Twins zuwenden können, muss noch die kurze Episode der MZ RE 50 erwähnt werden:
In Zschopau hatte man 1961 natürlich die erstmals und einmalig ausgetragene 50er EM beobachtet. Die Dominanz der ebenfalls mit Drehschieber-Steuerung ausgerüsteten Kreidler ließ vermutlich den Gedanken aufkeimen, dass man für die ab 1962 zur Austragung kommende 50er WM genau das passende Konzept besäße, nämlich das der RE 125, das nur auf den kleineren Hubraum anzupassen wäre. So entstand über den Winter 61/62 tatsächlich ein 50er Rennmotor, der sich auf dem Prüfstand mit angeblich 13 PS bei 13000 1/min (das wären also respektable 260 PS/l gewesen!) recht brav benahm. Beim Fahrwerk hatte man einfach das Konzept der RE 125 verkleinert, was beim Rahmen funktionierte, aber nicht bei der Gabel und den Naben. Die musste man mangels Neuentwicklung von der RE 125 übernehmen, und die Komponenten waren natürlich viel zu schwer für eine 50er.

An dieser Stelle muss eingeflochten werden, dass die Idee einer Rennmaschine mit einem kleineren Hubraum schon seit einigen Jahren auf der offiziellen Planungsliste der Zschopauer Rennabteilung stand! Schließlich beobachtete man in Zschopau genau, wie sich das Reglement entwickelte! Vor dem „Krieg“ der japanischen Marken in den 60er Jahren hatten sich nämlich einige italienische Marken in ähnlicher Form „bekämpft“ und sich dabei in einigen Fällen aufgrund der ausufernden Kosten fast an den Rand des Ruins gebracht. Als sich diese Marken dann Ende 1957 aus dem GP-Sport verabschieden mussten, befürchtete man, dass es nun zur großen Langeweile in der Motorrad-WM käme. Das öffentliche Klima war nach dem Le Mans-Unfall 1955 und dem Mille Miglia-Unfall 1957 sowieso nicht pro Motorsport. Dieser Entwicklung wollte die FIM entgegensteuern und propagierte ein neues System der WM-Klassen mit einem Homologationssystem für die Formel II und Formel III genannten Klassen. So etwas gab es auf seriennaher Basis bereits in Italien, und in Zschopau freute man sich auf dieses Reglement.

Es gab nämlich schon ausreichend viele RE 125, so dass die Homologation bereits gesichert schien, und für die RE 250 meinte man, nicht mehr weit von dem Status entfernt zu sein. Das hatte sogar schon direkte Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der beiden Zschopauer Racer, denn es wurde ganz klar entschieden, dass nur die Weiterentwicklung vorzunehmen sei, die die mögliche Homologation nicht gefährden konnte. Es ist sicherlich nicht abwegig, zu behaupten, dass dadurch die Ergebnisse der Zschopauer Rennmaschinen in der Saison 1960 negativ beeinflusst wurden.

Außerdem interessierte man sich in Zschopau sehr für den seriennäheren Sport, denn in eine solche Kosteneskalation wie in den Hochzeiten des „italienischen Krieges“ der 50er Jahre oder später wieder des „japanischen Krieges“ in den 60er Jahren wollte man bewusst nicht verwickelt werden. Man interpretierte die kommende Entwicklung hingegen so, dass es wie in Italien zu einer seriennahen 75 ccm- und 175 ccm-Klasse kommen würde, und Kaaden ließ sich bereits für 1957 ein Entwicklungsbudget von 75.000.- Mark für eine RE 175 und von 50.000.- Mark für eine RE 75 genehmigen. Auf der Basis konnte Erich Bergauer, der Konstruktions-Chef des kleinen Zschopauer Konstruktions-Teams, schon einmal die Entwürfe skizzieren lassen.

Kaaden rechnete mit der Einführung dieser Klassen ab 1958, aber als sich während der Saison 1957 nicht abzeichnete, dass es wirklich zur Umsetzung der FIM-Gedankenspiele kommen würde, wurden die beiden Projekte RE 75 und RE 175 in Zschopau wieder auf Eis gelegt, denn man brauchte schließlich alle verfügbaren Ressourcen für die zwei existierenden RE-Modelle! Es ist aber zu vermuten, dass sich Erich Bergauer den alten RE 75-Entwurf angeschaut hat, als er den Auftrag für die RE 50 bekam.

Zwei Maschinen wurden bis zum Schleizer Dreiecksrennen fertig, wo man in Ermangelung eines 50er Rennens eine „Demo“ fuhr mit Werner Musiol und Klaus Enderlein im Sattel.
Beim WM-Lauf auf dem Sachsenring wurde die 50er Klasse erstmals auf diesem Kurs ausgetragen, und MZ bereitete drei 50er vor, von der eine aber bereits im Training mit Laszlo Szabo im Sattel mit irreparablem Motordefekt ausfiel. Die zwei anderen wurden von Walter Brehme und Erhard Krumpholz auf den Positionen acht und neun ins Ziel gebracht, wobei der Entwicklungsrückstand der interessanterweise „MZ/Simson RE“ genannten kleinen Zschopauerin auf die siegende Kreidler, sowie auf Suzuki und Honda allen Rennbesuchern auffiel. Es gab einiges zu tun an der RE 50, und man machte sich zuerst an die Gewichtsreduktion, indem man der Maschine die Naben des tschechischen 125er Tatran-Rollers verpasste. Auch am Motor wurde weiter gearbeitet, denn die ursprünglich genannte Leistung war wohl zu optimistisch angenommen worden, so dass später nur noch 11 PS angegeben wurden. Er wurde sogar noch auf Wasserkühlung umgestellt, aber erneut stand der IKA-Magnet der Drehzahlsteigerung im Weg, die gerade in der 50er Klasse an dringendsten benötigt wurde.

Es entstand dann sogar noch eine verkleinerte Version der bei der RE 125 verwendeten 180er Doppelsimplexbremse, aber dennoch wusste man am Anfang der Saison 1963 nicht so recht, wie es mit der RE 50 weitergehen könnte. Denn obwohl man sich die Teilnahme an der 50er WM zum Ziel gesetzt hatte (mit der bereits erwähnten Einschränkung allerdings, zu den meisten Austragungsorten mangels Visa nicht reisen zu können), zeigten die meist von Hans Fischer gefahrenen Trainings die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der RE 50 klar auf, so dass man vor dem Sachsenring GP das ganze Projekt aufgab. Als Argument bot sich an, dass MZ nicht in einer Klasse vertreten sein sollte, in der man auch keine Serienfahrzeuge produzieren würde. Die Rennabteilung war zudem froh, sich um ein paar Probleme weniger kümmern zu müssen, um sich statt dessen auf den immer noch aussichtsreich einzusetzenden RE-Twin konzentrieren zu können.

So profitierte dann außerdem noch das Augustusburg-Museum von der Einstellung des RE 50-Projekts, denn dorthin konnte eines der nun nicht mehr benötigten bildschönen Rennerle abgegeben werden, und es befindet sich in der Dauerausstellung seit diesem Zeitpunkt.

Text: Karl-Heinz Bendix
Fotos: Karl-Heinz Bendix, Peter Frohnmeyer


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