In den sechziger und siebziger Jahren gehörte im Geländesport Maico zur ersten Adresse. Nach Willen der Firmenbosse Maisch sollte das auch so bleiben. Trotzdem entwickelte die Versuchsabteilung „eigenmächtig“ eine 125er Straßenrennmaschine. Von 1969 bis Mitte der Siebziger war der Production-Racer in der nationalen Meisterschaft fast unschlagbar, und in der WM sorgten die Werksmaschinen nicht nur für Achtungserfolge.
Die Schwaben haben bekanntlich einen ganz besonderen Ruf. Und das zu Recht. Ihnen wird nämlich nachgesagt, sie seien geschäftstüchtig, fleißig, bieder, brav aber auch sparsam. Mit Letzterem kann man´s allerdings übertreiben. Und genau das empfanden am 22. April 1967 einige
Maico-Mitarbeiter. Auf manche wirkte die aktuelle Hausmitteilung sogar wie eine Ohrfeige. Geschäftsführer Otto Maisch untersagte in diesem Aushang ab sofort jegliche Weiterentwicklung für Rennmotoren. Dabei hatte der eben zum Konstruktionsleiter beförderte österreichische Dipl.-Ing. Günther Schier und seine Mitarbeiter in den letzten Monaten tadellose Arbeit geleistet. Endlich war der neue MD 125 SS-Zweitaktmotor standfest und konnte bereits ab Anfang 1967 in die Serienproduktion übernommen werden.
Aber nicht nur das. Zweitakt-Spezialist Schier war vom Potential des Drehschieber-Motors als reinrassiges Renntriebwerk felsenfest überzeugt. Für den ehemaligen Rotax-Rennfahrer stellte die Weiterentwicklung somit eine gewaltige Herausforderung dar.
Und jetzt das. Mit der strikten Ablehnung des Straßenrennsport durch den Firmenpatriarchen Otto Maisch wollte und konnte sich der junge Konstruktionsleiter jedoch nicht abfinden. Ungeachtet des Verbotes wurde weiter experimentiert. Nun allerdings im Verborgenen und unter strengster Geheimhaltung, so geheim, dass nicht einmal die Firmenleitung etwas davon mitbekam.
In einer Zeit, in der sich landauf landab mit Motorrädern kaum noch eine müde Mark verdienen ließ, konnte das mittelständische Familienunternehmen Maico in Pfäffingen bei Tübingen mit rund 180 Mitarbeitern über Arbeitsmangel nicht klagen. Rechtzeitig vor dem todsicheren Aus hatten die Maico-Chefs Otto und Wilhelm Maisch bereits Ende der fünfziger Jahre einen lukrativen Regierungsauftrag unter Dach und Fach gebracht. An die Bundeswehr und den Bundesgrenzschutz, sowie an verschiedene ausländische Behörden wurden die geländetauglichen 247 ccm-Modelle M 250 B und M 250 M geliefert. Diese Zweitakt-Maschinen umgab bald ein legendärer Ruf. Sie waren wartungsfreundlich, zuverlässig, robust und fast nicht kaputt zu kriegen.
Zeitgleich konzentrierte man sich bei Maico auf die Herstellung von Geländesport- und Moto Cross-Maschinen mit selbstentwickelten und selbstgebauten, schlitzgesteuerten Einzylinder-Zweitaktmotoren in allen damals attraktiven Hubraum-Klassen. Hier hatten die Schwaben eine Marktlücke entdeckt, in der ihr Markenname schon in kürzester Zeit nicht mehr wegzudenken war. Zu einem der umsatzstärksten Märkte entwickelten sich die USA. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit seinen unendlich weiten Steppen und Prärien bot haargenau die richtigen Voraussetzungen für die strapazierfähigen
Off-Road-Maschinen.
Im knallhartem Wettbewerb bei nationalen und internationalen Geländefahrten sowie Moto Cross-Rennen, machten Maico-Piloten bald die Titel unter sich aus. Zu den erfolgreichsten Fahrern gehörten Erwin
Schmieder, Adolf Weil, Willi Bauer, Heino Büse, Herbert Stauch, Lorenz Müller, Willi Behrens, Siegfried Hocke, Herbert
Schek, Hans Cramer, aber auch ein gewisser Dieter Braun, um hier nur einige wichtige Namen zu nennen.
Als sich Günther Schier 1967 klammheimlich ans Tuning des 125er Drehschieber-Motors machte, räumte Maico im Geländesport und bei den Moto Cross-Rennen fast alle Meisterschaften, Titel und Goldmedaillen ab, die es quer durch Europa und Übersee zu gewinnen gab. In diesem Siegesrausch lässt sich im Nachhinein Otto Maischs Abneigung gegen die Straßenrennen möglicherweise nachvollziehen, verstehen allerdings nicht. Diese Sportart wurde von ihm schlichtweg ignoriert. Dass man jedoch mit einer erfolgreichen 125er Rennmaschine den Bekanntheitsgrad von Maico sowie den Verkauf der Straßenmotorräder immens fördern könnte, schien er nicht einzusehen oder erkennen zu wollen.
Trotz dieser Umstände hielt Günther Schier an seinem Vorhaben fest. Mitte 1967 hatte er aus dem 14,5 PS luftgekühlten Serienmotor bereits gut 18 PS geholt. Um das Triebwerk praxisgerecht im Rennbetrieb zu testen, wurde es kurzerhand in ein modifiziertes Serienchassis montiert. Zuständig für den Einsatz war Maico-Versuchsmitarbeiter Wolfgang Trautwein. Beim „Bergpreis Schwäbische Alb“ ließ der Ausweisfahrer nichts anbrennen und landete auf dem zweiten Platz. Damit hatte keiner gerechnet und für Günther Schier war der Beweis erbracht, dass er sich auf dem richtigen Weg befand. Da er für die Konstruktion und den Versuch gleichzeitig verantwortlich war, ließ er den begabten Zweitaktfan Hans Hinn aus der Montage in seine Abteilung versetzen. Neben Günter Schier kümmerten sich nun Hans Hinn sowie Gottlieb Haas, der bereits seit vielen Jahren im Versuch als Meister arbeitete, intensiv um die Weiterentwicklung des 125er Drehschieber-Motors. Ihr Ziel war es, einen käuflichen Renn-Kit für die Serien-MD 125 zusammenzustellen. Diese Tuningteile setzten sich aus nachträglich geänderten Serien-Zylinder und -Zylinderkopf, Drehschieberplatte und Drehschieberdeckel, sowie einem 30er-Bing-Schiebervergaser und einem Rennauspuff zusammen. Das auf diesen Renn-Kit abgestimmte Triebwerk leistete bald 20 PS bei 10 000/min.
Zu kaufen gab es diese Leistungsteile vorerst allerdings nicht. Bisher hatte der gewiefte Schier die Firmenleitung in seine heimlichen Aktivitäten nämlich immer noch nicht eingeweiht, sie wusste von alldem kein Wort. Da von Otto Maisch aber kaum Gehör zu erwarten war, wandte sich der österreichische Motorenspezialist nun an Wilhelm Maisch, der gegenüber neuen Projekten wesentlich aufgeschlossener war. Der Renn-Kit überzeugte ihn, zumal der Verkaufspreis von 600 Mark dem Unternehmen einen lukrativen Gewinn versprach.
Der nächste Fahrversuch mit dem Rennmotor erfolgte im Frühjahr 1968 beim traditionellen Club-Training in Hockenheim. Diesmal war Hans Hinn an der Reihe. Per Achse fuhr er mit einer „halb-getunten“ MD 125 zum Ring. Im Fahrerlager zog er nur noch Rennauspuff und Rennvergaser aus dem Rucksack, montierte im Handumdrehen die Bauteile, drehte ein paar schnelle Runden und wurde dabei auf der Start/Zielgeraden mit 124 km/h gestoppt! Ebenfalls eine glänzende Vorstellung gab Manfred Bernsee. Der ehemalige Moto Cross-Fahrer hatte seiner 125er Serien-MD mit fachlichem Know-How von Günter Schier ordentlich auf die Sprünge geholfen. Wilhelm Maisch, der die Testfahrten in Hockenheim mitverfolgt hatte, war von der Darbietung beeindruckt und ließ sich für die bevorstehende Saison von einem werksseitig begrenzten Straßenrennsporteinsatz überzeugen.
Interessierte Fahrer für diesen Plan waren schnell gefunden. In der Ausweisklasse, dem sogenannten Juniorenpokal, sollten Manfred Bernsee und in der Lizenzklasse Toni Gruber die 125er Renn-Maico fahren. Nun darf man sich allerdings nicht vorstellen, dass für das neue „Werksteam“ eine eigene Rennsportabteilung in Pfäffingen eingerichtet wurde. Die Vorbereitungen der auf Serienmaschinen basierenden Rennmotorräder erfolgten nach Feierabend im Werk oder in der privaten Werkstatt des rennbegeisterten Maico-Mitarbeiters Walter „Waldi“ Nieser, der sich im Wesentlichen um das Material für Toni Gruber kümmerte.
Auch bei den Renneinsätzen durften die „Werksfahrer“ Bernsee und Gruber keine Werksunterstützung erwarten. Die Betreuung an der Rennstrecke durch Konstruktionsleiter Günther Schier und seine beiden Mitarbeiter Hans Hinn und Walter Nieser war ausschließlich ihre eigene Angelegenheit. Sonderurlaub, Spesen oder gar bezahlte Überstunden gab es von den Firmeninhabern Maisch für diesen Einsatz grundsätzlich nicht.
Doch darum ging es dem renninfizierten Team überhaupt nicht. Damals war Rennsport ohne Idealismus, Entbehrungen und persönliche Opfer sowieso kaum vorstellbar. Die treibende Kraft für ihr Engagement war der sportliche Ehrgeiz und die Überzeugung, die Rennmaschine national und international ganz weit nach vorne zu bringen. Frei nach dem Motto: „Maico gegen den Rest der Welt“.
Bei Manfred Bernsee ging die Rechnung auf. Siebenmal ging er in der 125er Klasse an den Start, sechsmal wurde er Erster und somit 1968 Jupo-Meister. Leicht hatte er es allerdings nicht. Sein größter Konkurrent war Erich Brandl sowie sechs weitere Jupo-Fahrer, alle samt und sonders auf schnellen 125er Maicos unterwegs.
Außer einigen Achtungserfolgen lief es bei Toni Gruber dagegen nicht so gut. Zwar konnte er die internationalen Rennen in Gröding bei Salzburg und Nova Gorica in Jugoslawien gewinnen, in der Deutschen Meisterschaft wehte allerdings ein schärferer Wind. Um mit den reinrassigen Rennmaschinen von MZ, Suzuki und Yamaha mithalten zu können, fehlten der Maico ein paar zusätzliche Pferdestärken und vor allem ein Sechsganggetriebe.
Maico, bisher nur durch die Gelände-Erfolge regelmäßig in den Schlagzeilen, sah sich plötzlich einer unerwarteten Publizität ausgesetzt. In der Fachpresse wurde schließlich zum wiederholten Mal die Frage gestellt: Wann bietet das Werk endlich eine käufliche Produktions-Rennmaschine an? Dazu häuften sich Anfragen, bei denen man nicht wusste, wie man sie beantworten sollte. Diese Situation überzeugte letztendlich nun doch den konservativen Otto Maisch. Entgegen aller bisherigen Vorbehalte, aber auch im Hinblick auf den vorkalkulierten Verkaufspreis von knapp 5000 Mark, beschloss man die Produktion einer Kleinserie, für deren Vorstellung sich bei der IFMA im Herbst 1968 in Köln schon bald eine passende Gelegenheit bot.
Viel Zeit blieb derweil aber nicht. Fahrwerksspezialist Jens Lück kümmerte sich um die zukünftige Chassisausstattung. In Anlehnung an das 125er Serienfahrgestell verliefen beim Rennrahmen die beiden Rohr-Oberzüge nun wesentlich dichter, das Heck und die Schwinge waren etwas länger, so dass der Radstand nun 1340 mm maß. Der 12 Liter Tank sowie die Sitzbank wurden aus GFK gefertigt. Anstelle der 16-Zoll-Standardbereifung erhielt die RS 18-Zoll-Laufräder. Vorne kam eine spanische Montesa Duplex-Trommelbremse und hinten die serienmäßige MD-125 Simplex-Trommelbremse zum Einsatz. Inzwischen waren es nur noch zwei Tage bis zur Messe, aber man hatte längst noch nicht alle Teile zusammen. Für die Maico-Rennabteilung jedoch kein Problem. Die Kunst ständig unter Zeitdruck „weltmeisterlich“ improvisieren zu müssen, beherrschte man bereits. Die fehlende Rennverkleidung und eine Marzocchi-Telegabel organisierte Walter Nieser beim Italo-Importeur Edmund Bühler in Stuttgart. Buchstäblich in letzter Minute bekam man den Vorzeige-Renner Freitagmittag gegen 14 Uhr doch noch fertig, und er wurde sozusagen „mit nassem Lack“ in den Transporter für die Fahrt nach Köln verfrachtet.
Die Nachfrage übertraf alle Erwartungen. Schon nach kurzer Zeit lagen etliche Bestellungen vor. Und so entstand im Winterhalbjahr von 1968 auf 1969 die erste Serie von 40 Maico Production-Racers MD 125 RS. Abweichend von der IFMA-Maschine verwendete das Werk nun eine Ceriani-Telegabel mit 30 mm Standrohrdurchmesser, Boge-Federbeine, die Rennverkleidung aus GFK ließ man bei der Firma Gläser fertigen, und von der bewährten Montesa-Duplextrommelbremse orderte man beim Importeur Walz gleich eine beachtliche Stückzahl auf Vorrat. Alle weiteren Komponenten ließen sich bei Maico selbst herstellen. Selbstverständlich hatte zwischenzeitlich Günther Schier dem Fünfgang-Motor eine weitere Leistungsspritze verpasst, so dass von echten 23 bis 24 PS bei 11000/min ausgegangen werden konnte. Diese Toleranz lag an den handwerklichen Nacharbeiten des Serien-Zylinder und -Kopfes. Trotz aufwendiger Qualitätskontrolle und der Verwendung der besten Kurbelwellen aus der MD-Serie, kam es aber immer wieder vor, dass ein Motor „wie die Hölle“ ging, dagegen ein anderer eben nicht so gut lief. Neben dem Production-Racer für 4900 Mark bot das Werk unabhängig davon den 600 Mark teuren Motor-Tuning-Kit unter der Bezeichnung „RS1“ an. Folglich lief die käufliche Rennmaschine unter dem Kürzel „RS2“.
Da fast alle Maschinen an Ausweisfahrer gingen, wurde 1969 das erste „Maico-Jahr“. Wer im Juniorenpokal bei der Musik vorne mit dabei sein wollte, kam um die RS2 nicht herum, sie war das Maß der Dinge. Jeder versuchte die Maschine auf seine Bedürfnisse optimal abzustimmen. In der nach oben offenen „Schrauberkunst“ war keine Grenze gesetzt. Und so wurden bald Maicos mit Marzocchi-Telegabel, Fontana-Doppelduplex-Vorderradbremse, Koni oder Girling Federbeinen, großem Bing-Vergaser, kontaktloser Zündanlage von Motoplat oder Kröber, steiler stehenden Stummellenkern, höher versetzten Fußrasten, geändertem Auspuff und sogar mit Wasserkühlung an den Start geschoben. Einige Tuning-Arbeiten waren wahre Meisterleistungen, andere dagegen ihre Mühen und das Geld nicht wert. Ein Pilot erster Güte in dieser Saison war Erich Brandl. Vor vier weiteren RS2-Fahrern gewann er 1969 den Juniorenpokal.
Genau wie im Vorjahr „leistete“ sich Maico auch 1969 wieder ein Werksteam. Doch diesmal gleich mit vier Fahrern: den Schweden Kent Andersson und Börje Jansson sowie den Stammfahrern Toni Gruber und Manfred Bernsee. Außer Kent Andersson, dem man die RS2 kostenlos zur Verfügung stellte, sozusagen als „Leihgabe“, mussten die anderen ihre Maschine wie jeder RS2-Kunde auf Heller und Pfennig bezahlen. Lediglich die laufenden Motorrevisionen übernahm Maico. Im Prinzip waren die „Werksmaschinen“ mit den Production-Racern identisch. Sie hatten lediglich einen Tick mehr Leistung und verfügten über ein nur für diese Maschinen speziell zusammengesetztes Sechsganggetriebe mit nachträglich abgeändertem Schaltautomaten vom Fünfganggetriebe. Von eigentlichen Werksrennmaschinen konnte daher in diesem Jahr aber noch keine Rede sein.
Maicos Großzügigkeit gegenüber Kent Andersson sollte sich lohnen. Gleich beim ersten Weltmeisterschaftslauf in Madrid fuhr der Schwede auf den zweiten Platz. Für diese Leistung bekam er von den Brüdern Maisch sogar eine Erfolgsprämie. Den Scheck über 700 Mark(!) übergab Walter Nieser einige Wochen später in Assen. Doch da saß Kent Andersson bereits auf einer 125er
Zweizylinder-Yamaha. Nach Madrid hatte es nämlich wegen der störanfälligen kontaktgesteuerten Batterie-Zündanlage zwei dumme Ausfälle gegeben, und über Nacht war er danach ins Yamaha-Lager gewechselt. Für den schnellen Schweden die richtige Entscheidung, 1973 und 1974 konnte sich Kent Andersson als 125er Weltmeister feiern lassen.
Nachdem Andersson das Team verlassen hatte, übernahm Börje Jansson den Platz als Nummer-eins-Fahrer. Beim sensationellen Einstiegserfolg in Madrid sollte es allerdings vorerst bleiben, die weitere Saison verlief für das Werksteam ernüchternd. Weder in der Weltmeisterschaft noch in der Deutschen Meisterschaft konnte sich ein Maico-Fahrer auf den vorderen Rängen platzieren.
Bei den Aktiven in der Ausweisklasse machte das jedoch keinen Deut Abbruch. Abgesehen von kleinen Modifikationen legte das Werk für 1970 die zweite Serie MD 125 RS2 auf. Gut die Hälfte des 125er Starterfeldes saß mittlerweile auf Maico, man sprach bereits hinter vorgehaltener Hand vom „Maico-Cup“.
Hinter den Kulissen passierte derweil einiges. Für Dipl.-Ing. Schier stand längst fest, dass die RS2 unbedingt ein vollkommen neu durchkonstruiertes Sechsganggetriebe brauchte. Doch für Maico Verhältnisse kostete so etwas viel zu viel Geld. Zum Glück kam ihm die momentane Situation auf dem Kleinkraftrad-Markt entgegen. Um die MD 50 auch weiterhin attraktiv zu halten, überzeugte er die Geschäftsleitung, müsste die 50er schleunigst ein Sechsganggetriebe bekommen. Dieses Argument zog, der Konstruktionsauftrag wurde erteilt. Das neue Sechsgang-Ziehkeilgetriebe mit ebenfalls neuem Schaltautomaten war so ausgelegt und konstruiert, dass es in den RS2-Rennmotor, aber auch in das Standard-Triebwerk MD 125 SS sowie in den baugleichen MD 50-Motor passte. Sämtliche Fünfgang-Motoren ließen sich obendrein problemlos umrüsten. Ab Mitte 1970 gab es den Production-Racer nun mit dem neuen Sechsganggetriebe. Was allerdings gleichzeitig die letzte Modifikation für das schnelle Straßenrennmotorrad, das gut acht Jahre außerordentlich erfolgreich in der Ausweis- und Lizenz-Klasse eingesetzt wurde, bedeutete. Bis Ende 1974 hatten 146 RS2-Renner das Maico-Werk verlassen.
Die Liste der Jupo-Sieger reicht von Walter Wurster 1971, über Peter Frohnmeyer 1972, Wolfgang Rubel 1973, Rolf Thiele 1974 und Wulf Gerstenmaier 1976. In der Deutschen Meisterschaft das gleiche Bild. Am Schluss standen 1971 und 1972 Gerd Bender, 1973 Paul Eickelberg sowie 1974 und 1975 Fritz Reitmaier an erster Stelle.
Bei den insgesamt nur fünf Werksmaschinen handelte es sich weiterhin um handgestrickte Einzelanfertigungen, bei denen die Experimentierfreudigkeit der Versuchsabteilung deutlich zu erkennen war. Bereits ab 1970 besaß der Motor eine Teil-Wasserkühlung. Hierfür wurden die Rippen des luftgekühlten Zylinders einfach abgesägt und ein Gehäusemantel um den Zylinder geschweißt, die Wasserzirkulation erfolgte nach Thermosyphonsystem. Ebenfalls nur für die Werksfahrer entstand 1971 ein neues Fahrwerk, das sogenannte „Flachrad“. Die RS2 wurde werksintern fortan als „Hochrad“ bezeichnet.
Mit diesem zierlichen Werksmotorrad konnte Börje Jansson 1971 erneut, wie bereits schon 1970, in der WM-Schlusswertung seinen dritten Platz behaupten. Bis Ende 1973 blieb der inzwischen vierfache Grand Prix-Sieger im Maico-Werksteam, danach zog sich der sympathische Schwede ins Privatleben zurück.
Zu den weiteren Werksrennfahrern gehörten Toni Gruber, Gerd Bender, Dieter Braun, Rolf Minhoff und zum Abschluss der Maico-WM-Ära 1975 der „Einzylinder-Weltmeister“ Peter Frohnmeyer, wie ihn der junge Rennsportreporter Günther Wiesinger vielfach in seinen Berichten bezeichnete.
Aus den Erfahrungen mit der RS2 und den Werksmaschinen entstand für 1975 die „RS3“. Der lediglich siebenmal gebaute und für 8500 Mark käufliche Production-Racer hatte nun einen voll wassergekühlten Motor. Verantwortlich für die Entwicklung war jedoch nicht die Maico-Versuchsabteilung, sondern Walter Nieser. Auf Eigeninitiative hatte der pfiffige Zweitaktexperte in seiner privaten Werkstatt den wassergekühlten Zylinderkopf und Zylinder, der bei Mahle nikasilbeschichtet wurde, ausgetüftelt. Die Gussformen stellte er anschließend dem Werk zur Verfügung, das die Bauteile in Kleinserie fertigte. Der nun mit einem 34er Bing-Concentric-Vergaser und einer kontaktlosen Kröber Magnet-Thyristor-Zündanlage ausgerüstete Drehschieber-Motor leistete beachtliche 29 PS bei 12200/min. Ebenfalls neu war das etwas flachere Fahrwerk, das im Großen und Ganzen aber weiterhin dem „Hochrad“ entsprach, und der 15 Liter fassende Alu-Tank.
Trotz aller technischen Bemühungen und größtem fahrerischen Einsatz Maico-treuer Privatfahrer und Werkspiloten ging Mitte der Siebziger die Zeit der Einzylinder-Maschinen allmählich vorbei. Gegen die leistungsstärkeren Zweizylinder-Rennmotorräder von Yamaha, Morbidelli, Derbi und Malanca war einfach kein Kraut gewachsen. Eine kurze, aber ruhmreiche schwäbische Renngeschichte war zu Ende.
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